Hamburg:Begossener "Pudel"

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In der Nacht zum Sonntag brach über der Musikkneipe am Fischmarkt von St. Pauli ein Feuer aus. Die 80 Gäste konnten das Gebäude rechtzeitig verlassen. (Foto: dpa)

Feuer zerstört einen Club, der zur Hamburger Kulturgut gehörte. Die Polizei vermutet Brandstiftung. Wer war es? Und wie geht es weiter?

Von Peter Burghardt, Hamburg

Am Nachmittag danach fällt Regen auf diesen Hamburger Kultort, aber das himmlische Löschwasser macht alles nur noch nasser und den Anblick noch trauriger. In der feuchten Luft liegt Brandgeruch, der Golden Pudel Club ist zu Teilen eine verkohlte, wässrige Ruine. "Oh Mann, ist das schade", sagt eine Zuschauerin. "Was ist da passiert?", fragt ein kleines Mädchen. Ja, was war da passiert?

Sicher ist, dass in der Nacht zum Sonntag gegen drei Uhr morgens über der alternativen Musikkneipe am Fischmarkt von St. Pauli ein Feuer ausbrach. Die 80 Gäste konnten das hölzerne Gebäude rechtzeitig verlassen, doch die Flammen fraßen sich in Dachstuhl und Wände. Feuerwehrleute erstickten den Brand. Statiker prüfen, ob die berühmte Bretterbude irgendwie gerettet werden kann oder abgerissen werden soll. Es heißt, dass zunächst nebenan ein Schuppen, in dem gelegentlich Flaschensammler übernachten, zu brennen begonnen habe. Die Polizei spricht vom "Verdacht der schweren Brandstiftung", kennt aber noch keine Täter. Sicher ist, dass es dieses hanseatisches Kulturgut mitten in einem Kulturkampf erwischt und in ein verrußtes Mysterium verwandelt hat.

Gegründet worden war der Golden Pudel Club 1998 als Nachfolger des ebenfalls legendären Pudel Clubs für spaßfreudige Andersdenkende jenseits der üblichen Branchenregeln. Das ehemalige Schmugglergefängnis mit Spitzgiebel und Blick auf die Elbe wurde zum Hort anarchistischen Vergnügens. Es ist eine Wiege vieler Bands, der Ruf geht weit über Altona hinaus. Für Jochen Distelmeyer, früher Kopf der Band Blumfeld, zum Beispiel ist der Pudel das Hamburger Symbol. Gepriesen wird der Partyschuppen auch im Reiseführer Lonely Planet. Zu den Betreibern gehören Schorsch Kamerun von der Punkcombo Die Goldenen Zitronen und der Autor, Musiker und Entertainer alias Rocko Schamoni, seit 2008 ist er auch einer der beiden Besitzer. Der andere heißt Wolf Richter, und da gab es bereits vor diesem rätselhaften Inferno ein Problem.

Die Jugendfreunde Schamoni und Richter haben sich zerstritten - es geht um Geld und Konzept. Beziehungsweise zerstritten sind Rocko Schamonis Pudel, der "Verein für Gegenkultur" sowie das Kollektiv "Park Fiction" auf der einen und Wolf Richter auf der einen Seite. 2011 wurde das Gesamtkunstwerk geteilt: Oben richtete Richter ein Lokal namens Oberstübchen ein und tauschte Türschlösser aus. Unten blieb der Club. Dem Untergeschoss war das Obergeschoss zu kommerziell. Der Pudelzwist geriet zur Stellvertreterschlacht um Gentrifizierung. Jetzt sollte der zerrissene Pudel unter den Hammer kommen: Für den 20. April ist vor dem Amtsgericht Altona eine Teilungsversteigerung angesetzt. Verkaufswert 510 000 Euro.

Die unteren Pudel mit ihrem Verein für Gegenkultur wollen verhindern, die Institution trotz Pachtvertrages zu verscherbeln. "Die Welt ist eine Pudel?" heißt es auf der Website. ". . . nicht mehr, wenn die Hundehütte bei der anstehenden Versteigerung in den Strudel von Investition und Spekulation gerät. Wir akzeptieren nur eines: Die angestammte Behausung des Hundes mit dem struppigen Fell wird dem Kapitalmarkt entzogen und geht in eine Stiftung über." Gezeichnet: "Euer Wildes Tier."

Jetzt hat das struppige Fell gebrannt. Und man weiß gar nicht mehr, wie es weiter geht mit der selbsternannten "Elphilharmonie der Herzen", dem Gegenentwurf zur 800-Millionen-Euro-Elbphilharmonie. "Es nützt genau einer Partei", sagt vor dem schwarzen Pudel der Künstler Christoph Schäfer vom Pudel-Projekt "Park Fiction " und meint den Brand. "Für uns ist das Scheiße."

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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