Großbritannien: Frau stoppt 30 Hooligans:Eine Mutter sieht rot

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Eine Britin wird mit ihrer Familie im Zug von betrunkenen Fußballfans angepöbelt - und dreht durch: Die schmale 41-Jährige springt an einer Haltestelle auf die Schienen und hindert den Zug am Weiterfahren. Vielen gilt sie nun als Heldin.

Katarina Lukac

Es sollte der Abschluss eines perfekten Familienausfluges werden: Das Ehepaar Robinson fuhr gemeinsam mit seinem Sohn Harry nach Hause, in einen Vorort von Cardiff in Wales. In der Stadt hatten sie Harrys fünften Geburtstag gefeiert. Als eine Gruppe grölender Fußballfans den Tag zu ruinieren drohte, griff Lisa Robinson, 41, britischen Medienberichten zufolge zu einer rabiaten Methode - und wird prompt als Heldin gefeiert.

Zivilcourage mit Körpereinsatz: "Es war eine furchteinflößende Erfahrung, aber ich bin froh, dass ich es getan habe", sagt Lisa Robinson. (Foto: BBC)

Auf der Heimfahrt begegnete die Kleinfamilie im Zug einem Bericht der BBC zufolge einer Gruppe von Fußballfans, für die der Nachmittag auch gut gelaufen war: Das walisische Team Cardiff City hatte gegen Millwall F.C. aus London einen Heimsieg errungen. Als der Zug an einer Haltestelle stoppte, weckte eine Frau auf dem Bahnsteig das Interesse der etwa 30 Männer. Sie überhäuften die Wartende mit "sexistischen Bemerkungen", zitiert die Zeitung Daily Mail die Augenzeugin Robinson.

Nach einer Weile konnte die 41-Jährige das anzügliche Gegröle in Anwesenheit ihres Sohnes nicht mehr ertragen, erzählte Robinson später dem Blatt. Sie habe den Anführer gebeten, von den Obszönitäten abzulassen - und löste damit prompt eine neue Tirade von Beschimpfungen aus, die sich nun gegen sie richteten. Robinson wurde nach eigenen Angaben unflätig beleidigt und mit verschiedenen Schimpfwörtern betitelt, ihr Mann sei wegen seines Alters gehänselt worden.

Alle anderen Fahrgäste hätten geschwiegen. "Ich hatte fürchterliche Angst", sagte Robinson der Daily Mail. Sie wollte einen Sicherheitsmann alarmieren, sah aber keine Möglichkeit, aus dem Waggon herauszukommen: "Wir saßen in der Falle". Als der Zug wieder losfuhr, habe sie geweint und gezittert.

Robinson hatte nach eigenen Angaben so große Angst, dass sie an der nächsten Haltestelle die Rettungsbremse zog. Daraufhin sei der Zugführer aufgetaucht, habe den Hebel wieder umgestellt und sich ins Führerhaus gesetzt - ohne auf die Bitte ihres Mannes einzugehen, die Polizei zu rufen.

Weitere Pöbeleien erduldend, fuhr die Familie noch zwei weitere Stationen mit den "betrunkenen Fußball-Rowdys" ( Daily Mail) bis zu ihrer Zielhaltestellte. Auf dem Bahnsteig habe Harry sich weinend in die Arme seiner Mutter geworfen. Als sie den Fahrer erneut ansprachen, verwies der sie an einen angeblich anwesenden Sicherheitsmann, der sich aber während der gesamten Fahrt nicht hatte blicken lassen. "Ich denke, er war zu eingeschüchtert, um dazwischenzugehen", sagte Robinson.

Der entscheidende Moment

Da legte sich bei der 41-Jährigen ein Schalter um: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war wohl die Tatsache, dass der Fahrer nicht einmal seine Sonnenbrille abnahm, um mit ihr zu sprechen. Robinson reichte ihren Sohn an ihren Mann weiter, rutschte kurzerhand auf die Gleise hinunter und stellte sich vor den Zug. Sie kündigte an, sich keinen Milimeter von der Stelle bewegen zu wollen, bis das Bahnpersonal die Polizei alarmierte.

"Ich wollte meinen Mann und mein Kind beschützen, und ich wollte, das dieses Verhalten aufhört", sagte die schmale Frau mit kurzen braunen Haaren später der BBC.

Die Fußballfans machten sich daraufhin zu Fuß davon, nicht ohne sie vorher vom Bahnsteig aus zu beschimpfen und Fotos von ihr zu machen.

Nach einigen quälend langen Minuten tätigte das Bahnpersonal schließlich den Anruf und Robinson ließ sich zum Fortgehen bewegen. Zwei Polizeibeamte waren schnell vor Ort und befragten Zeugen, Videoaufnahmen werden noch ausgewertet.

Auch das Transportunternehmen Arriva hat eine Untersuchung zu dem Vorfall, der sich Ende September ereignete, eingeleitet und sich für das Verhalten seines Personals entschuldigt - mit einem Blumenstrauß. Selbst der örtliche Parlamentsabgeordnete will sich mit der Angelegenheit befassen.

Im Internet feiern Daily-Mail-Leser Robinson als Heldin: "Weiter so, Schwester!", ist da zu lesen. Und auch: "Verleihen Sie der Dame eine Medaille. Ich hätte genau dasselbe getan. Ich habe die Nase voll davon, mir überall Schimpfwörter anhören zu müssen."

Robinson, die im Staatsdienst steht, bereut ihre waghalsige Aktion nicht: "Es war eine furchteinflößende Erfahrung, aber ich bin froh, dass ich es getan habe", sagte sie dem Blatt. "Das war ein Sieg für die ganz normale Bevölkerung."

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