Gnadenakt per Twitter:Ablass ist kein Automatenkaffee

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Verspricht zum Weltjugendtag in Rio einen Ablass: Papst Franziskus (Foto: dpa)

Zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro soll es einen vollkommenen Ablass geben, teilte Papst Franziskus mit - auch für alle, die nur per Twitter dabei sein können. Wie bitte? Vergebung in 140 Zeichen? Der Vatikan stellt jetzt klar: So einfach ist es dann doch nicht.

Hätte Transparency International schon im 16. Jahrhundert existiert, hätte die Anti-Korruptions-Organisation bestimmt Seite an Seite mit Martin Luther gegen die Auswüchse des katholischen Ablasswesens gekämpft. Damals galt vielerorts: Die spendabelsten Katholiken haben die weißeste Weste. Es gab spezialisierte Ablasskrämer, die die begehrten Dokumente an zahlungswillige Sünder verscherbelten. Ablässe wurden gehandelt wie Wertpapiere und hatten weniger das Seelenheil der armen Sünder zum Ziel als die Finanzen der Händler und Zwischenhändler.

Wer heute in den Genuss dieses päpstlichen Gnadenaktes kommen will, muss dafür zwar nicht mehr zahlen. Doch eine Ankündigung des Vatikans rückte das Ablasswesen vergangene Woche kurzzeitig wieder in zweifelhaftes Licht: Zum Weltjugendtag, der vom 23. bis 28. Juli in Rio de Janeiro stattfindet, soll es einen vollkommenen Ablass geben. Und zwar für alle, die für die dort versammelten Jugendlichen beten - ganz gleich, ob sie sich an der Copacabana, in Rom oder sonst irgendwo auf der Welt befinden. Das Angebot gilt erstmals auch für Katholiken, die den Weltjugendtag online verfolgen, per Livestream, Facebook oder Twitter. Wie bitte? Ablass per Twitter? Die Befreiung von allen "zeitlichen Sündenstrafen" - den Nachwirkungen bereits vergebener Sünden, die den Sünder weiter belasten - in 140 Zeichen? Dass klang vielen verdächtig einfach.

Die Möglichkeit, aus der Ferne die Indulgenz zu erlangen, ist nicht neu. "Urbi et Orbi", der Segen, den der Papst zu Weihnachten und Ostern spendet, gilt schon seit 1967 auch für alle, die ihn per Radio empfangen, seit 1985 für TV-Zuschauer. Offenbar brauchte die katholische Kirche schon immer ein paar Jahre, um sich auf neue mediale Entwicklungen einzustellen. Doch egal, ob Weihnachten, Ostern oder Weltjugendtag: Ganz so einfach ist die Sache mit dem Fern-Ablass dann doch nicht.

Die traditionellen Voraussetzungen für die restlose Vergebung aller Sünden sind nämlich eigentlich alles andere als banal: Wer sich etwas zu Schulden kommen lassen hat, muss diese Taten zuerst beichten, dafür Buße tun, muss die Kommunion empfangen und um Vergebung seiner Sünden beten. Erst dann kann er den letzten Rest der Vergebung auch noch erhalten.

Und selbst wenn man das alles schon erledigt haben sollte, reicht es auch nicht, @pontifex bei Twitter zu folgen. Das hat der Vatikan jetzt noch mal präzisiert: Einen Ablass erhalte man nicht "wie einen Kaffee am Automaten", sagte Erzbischof Claudio Maria Celli der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera. Der Präsident des päpstlichen Medienrates stellte klar: Entscheidend für den Erhalt eines Ablasses sei, dass die Nutzung der neuen Medien "geistliche Früchte im Herzen jeden Einzelnen" hervorbringe.

Wie genau diese Früchte aussehen müssen, hat Celli allerdings nicht gesagt.

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