Gewalttat von Hameln:Dreimal hätte sie dabei sterben können

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  • Nurettin B. stach Kader K. am 20. November 2016 ein langes Küchenmesser in Herz und Milz. Danach schleifte er die Schwerverletzte an einem Strick mit seinem Auto durch Hameln.
  • Einer ihrer Anwälte sagt, er habe versucht, sie "öffentlich zur Schau zu stellen und hinzurichten".
  • Der Täter wurde nun zu 14 Jahren Haft verurteilt und muss seiner Exfrau 137 000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Von Peter Burghardt, Hannover

Es ist ein Wunder, dass die Frau diesen Prozess überhaupt erleben konnte. Wäre die Tat nach dem Willen dieses Mannes verlaufen, dann hätte Kader K. das Urteil im Landgericht Hannover nie mehr hören können.

Nurettin B. stach ihr am 20. November 2016 ein langes Küchenmesser in Herz und Milz. Er zertrümmerte ihr den Schädel mit der stumpfen Seite einer Axt. Er schleifte die Schwerverletzte an einem Strick mit seinem Auto durch Hameln, den gemeinsamen Sohn auf der Rückbank, ehe sich der Knoten von selbst löste; worauf sie zweimal reanimiert und notoperiert wurde. "Sie war schon tot", sagte die Staatsanwältin, "sie musste ins Leben zurückgeholt werden."

Aber Wunder entbinden natürlich nicht von der besonderen Verantwortung für dieses schreckliche Verbrechen. Die Richter verurteilten Nurettin B. am Mittwochnachmittag wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu 14 Jahren Gefängnis; in Untersuchungshaft sitzt er bereits seit dem 21. November 2016.

Außerdem einigten sich die Vertreter beider Seiten darauf, dass Nurettin B. 137 000 Euro plus Zinsen Schmerzensgeld an Kader K. bezahlt, offenbar der Wert seines Hauses. Dazu überlässt er ihr den Passat, mit dem er sie fast umgebracht hätte. Doch vom Strafmaß lebenslang, das die Anklage gefordert hatte, wich die 13. Strafkammer erheblich ab.

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Eine 28-Jährige wird an ein Auto gebunden und 250 Meter weit mitgeschleift. Täter soll ihr früherer Lebensgefährte sein. Zwei Tage vor der Tat war die Polizei noch eingeschritten, weil er der Frau gedroht hatte.

Noch einmal wurde bei dieser dritten und letzten Sitzung erzählt, welcher Horror vor sechs Monaten in der niedersächsischen Stadt geschah. Die beiden Deutsch-Kurden hatten 2013 nach islamischem Recht geheiratet, 2014 kam ihr Kind zur Welt. Es folgte die Trennung im Streit.

"Jetzt wird sie gepfändet"

Nurettin B. weigerte sich, Unterhalt zu zahlen, er bedrohte Kader K. Nach der Pfändung seines Gehalts soll er angekündigt haben: "Jetzt wird sie gepfändet." Als er das drei Jahre alte Kind nach einem Wochenendbesuch zurückbrachte, prügelte, stach und hieb er auf die Mutter ein, band sie an die Anhängerkupplung und gab Vollgas.

Sie überlebte mit tiefen Stichwunden und schweren Kopfverletzungen nur dank schneller Hilfe, eisernen Willens und puren Zufalls. Die Anklage verwies auf dieses Glück des Opfers und auf die extreme Brutalität und Planung des Täters. Er habe versucht, sie "öffentlich zur Schau zu stellen und hinzurichten", als er sie durch Hameln schleifte, sagte einer ihrer Anwälte. "Darauf muss man ja erst mal kommen und das auch umsetzen."

Nurettin B. habe alles vorbereitet, um eine grausame Tötung in drei Akten vorzunehmen, erläuterte der Vorsitzende Richter Wolfgang Rosenbusch. Dreimal hätte sie dabei sterben können. Das habe "nichts mit Affekt zu tun". Er habe sie erniedrigen wollen, das sei sein Frauenbild.

Dennoch teilte das Gericht auch Argumente der Verteidiger. Nurettin B. stellte sich sofort der Polizei, nachdem er Kader K. an ihrem Seil an einer Hamelner Straßenecke verloren hatte. Er ließ bereits am ersten Verhandlungstag in Hannover ein Geständnis verlesen.

Er zahlt. Dem Gericht gehe es nicht um Rache, erklärte Rosenbusch vor allem der entsetzten Kader K. Das Urteil entspreche dem Gesetz, nicht dem Gefühl. "Es tut mir unendlich leid, was ich dir und unserem Sohn angetan habe", sprach Nurettin B. am Ende der Plädoyers. Spätestens 2030 ist er wieder frei. Kader K., die Überlebende, vergrub ihr Gesicht in den Händen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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