Freiburg:Stiefvater von Alessio legt Geständnis ab

Lesezeit: 2 min

  • Im Prozess um den qualvollen Tod des kleinen Alessio hat der angeklagte Stiefvater ein Geständnis abgelegt.
  • Er räumt ein, den Dreijährigen kurz bevor er starb mehrfach geschlagen zu haben. Die monatelangen Misshandlungen, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, bestreitet der 33-Jährige jedoch.
  • Der Fall und die möglichen Versäumnisse der Behörden beschäftigen inzwischen auch die Politik.

Geständnis im Fall Alessio

Im Prozess um den qualvollen Tod des kleinen Alessio hat der angeklagte Stiefvater ein Geständnis abgelegt. Er habe dem nackt auf dem Boden liegenden Dreijährigen zwei- bis dreimal mit der Faust in den Bauch geschlagen, sagte der 33-Jährige zum Prozessauftakt. Alessio starb kurze Zeit später an den Verletzungen. Er könne sich die Tat bis heute nicht erklären, sagte der Landwirt. Vermutlich habe er aus Angst vor dem Jugendamt und aus Überforderung gehandelt.

Alle weiteren Vorwürfe, er habe Alessio über einen Zeitraum von mindestens eineinhalb Jahren hinweg mehrfach geschlagen und schwer misshandelt, wies der Stiefvater zurück. Auch seine eigene Tochter, die jüngere Halbschwester Alessios, habe er, anders als es in der Anklageschrift dargestellt wird, nie geschlagen. Das Mädchen ist inzwischen in einer Pflegefamilie untergebracht.

Stiefvater hatte den sterbenden Jungen selbst zum Arzt gebracht

Der Stiefvater muss sich vor dem Landgericht Freiburg verantworten, ihm werden Totschlag und mehrfache schwere Kindesmisshandlung vorgeworfen. Die Tat, in deren Folge Alessio starb, hatte sich Mitte Januar auf dem Bauernhof der Familie in Lenzkirch bei Freiburg ereignet.

Getöteter Alessio
:Wenn das Jugendamt die Gefahr nicht sieht

In Baden-Württemberg steht ein Landwirt vor Gericht, weil er seinen dreijährigen Stiefsohn zu Tode geprügelt haben soll. Trotz Betreuung durch das Jugendamt.

Von Josef Kelnberger

"Alessio war einer Vielzahl körperlicher Übergriffe ausgesetzt", sagte Staatsanwalt Klaus Hoffmann. Aus Wut habe der Angeklagte dem Jungen so heftige Schläge in den Bauch gegeben, dass das Kind später daran starb. Der 33 Jahre alte Stiefvater habe sich des Totschlags und der schweren Kindesmisshandlung schuldig gemacht, sagte der Staatsanwalt.

Der Stiefvater hatte den schwer verletzten Jungen im Januar 2015 selbst zum Arzt gebracht. Dabei hatte der Mann angegeben, Alessio sei die Treppe hinunter gefallen.

Vorwürfe gegen das Jugendamt

Der Tod des kleinen Jungen und die Frage, wer dafür die Verantwortung trägt, beschäftigt inzwischen auch die Politik. Im Sommer hat sich im baden-württembergischen Landtag in Stuttgart der Sozialausschuss mit dem Fall befasst. Schwere Vorwürfe gegen das Jugendamt sind laut geworden. Es soll den Jungen nicht ausreichend geschützt haben. Denn die Behörde betreute die Familie schon länger.

Bereits im Juni 2013 hatte es einen ersten Verdacht der Kindesmisshandlung gegeben. Und obwohl Kinderärzte und Staatsanwälte davor warnten, dass Alessio und seine Halbschwester in akuter Gefahr seien, ließen die Verantwortlichen die Kinder wieder zum Vater zurückkehren, nachdem die Mutter mit ihnen kurzzeitig ausgezogen war und bei der Großmutter des Angeklagten lebte.

Jugendämter in Deutschland
:Wie wir unsere Kinder retten können

Der Entzug des Sorgerechts für die eigenen Kinder ist für Eltern eine Katastrophe. Mitunter geht es aber nicht anders, weil das Wohl von Kindern auf dem Spiel steht. Doch wie gehen Jugendämter und Familiengerichte dabei vor? Zu forsch, sagt das Bundesverfassungsgericht. Darum muss sich nun einiges ändern.

Von Wolfgang Janisch

Das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald will kein schuldhaftes Verhalten bei seinen MItarbeitern erkennen. Auch das Regierungspräsidium Freiburg als Aufsichtsbehörde fand keine Verfahrensfehler, stellte in einem internen Bericht aber kritische Fragen. Der Fall Alessio erinnert auf traurige Weise an das Schicksal der ebenfalls dreijährigen Yağmur aus Hamburg. Auch dort kam ein kleines Kind zu gewaltsam zu Tode, nachdem es über Monate und Jahre schwer misshandelt wurde. Und auch dort waren Jugendamt und andere Aufsichtsbehörden mit dem Fall befasst und hätten womöglich früher eingreifen können.

Für den Prozess sind zehn Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil könnte im Oktober fallen. Bei einer Verurteilung droht dem Angeklagten eine lange Haftstrafe.

© SZ.de/dpa/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: