Flüchtlinge in Deutschland:Die Weinkönigin aus Syrien

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Als der Mann, der die Trierer Weinköniginnen aussucht, Ninorta Bahno das erste Mal sah, fragte er sie: "Trinkst du Wein?". Sie sagte: "Ja." (Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Während im ganzen Land Bürgermeister ächzten, Landräte klagten - da hoben die Trierer ihre Gläser. Auf Ninorta I. Was bleibt nach einem Jahr im Amt?

Von Gianna Niewel

Als Ninorta Bahno ihre Krone ablegen soll, da hebt sie an, ein Mal, zwei Mal, neben ihr steht ein Mädchen und hält ein purpurrotes Samtkissen, das Mädchen hält das Kissen höher, es wartet auf die Krone. Aber die hat sich in den Haaren von Ninorta Bahno verfangen.

Ein Jahr lang war Ninorta I. die 68. Trierer Weinkönigin, ein Jahr zwischen Traubenfesten und Weinfesten. Alles wie immer. Nichts wie sonst. Ninorta I. war die erste Geflüchtete in diesem Amt, bundesweit, sie kommt aus Kamischli, Syrien. Syrien ist ein Land, das Trauben- und Weinfeste gerade nicht kennt. Es ist ein Land, das brennt.

Nur: Wieso nimmt sei dann dieses Amt an?

Es war im Sommer 2015, als sie bei einer Veranstaltung für Geflüchtete übersetzte, Deutsch, Aramäisch, als sie Peter Terges auffiel. So ruhig, so besonnen. Sie strahlte. Er nahm sich vor, sie zu fragen.

Peter Terges: "Trinkst du Wein?"

Ninorta Bahno: "Ja."

Damit war die Sache klar. Er lud sie in seine Winzerstube ein. Holzvertäfelte Decken, Kupferstiche, Karaffen aus Ton. Peter Terges ist Vorsitzender der Trier-Olewiger Winzer-Vereinigung und das schon so lange, dass er die Weinkönigin aussucht.

1978, Inge I., kam aus einer Winzerfamilie.

1985, Juliane I., da kannte er den Vater.

1996, Michaela I., die Schwester war mal Weinkönigin.

2004, Susanne I., seine Tochter.

2015, Sandra I., ein "Trierer Mädchen".

2016, Ninorta I.: Es sollte ein Zeichen sein. Das wollte er. Das wollte sie.

Und als sie gekrönt wurde, im August 2016, da stand sie vor den Trierern, das Kleid aus Seide, das Gesicht aus Glück, sie sagte, sie wolle eine "Botschafterin für Integration" sein, für ein friedliches Zusammenleben. Dann hob sie ihr Glas und rief: "zum Wohl". Während im ganzen Land Bürgermeister ächzten, Landräte klagten - da hoben die Trierer ihre Gläser. Auf Ninorta I. Es fing gut an.

Sie hat viel über Deutschland gelernt

Sie fuhr nach Grevenmacher, Luxemburg, ganz in der Nähe von Trier. Tag 27 ihrer Amtszeit. Und als der Saal sang: "Kättche, Kättche, bréng mer noch e Pättchen", da verstand sie kein Wort. Integration bedeutet, dass man sich anpasst an Traditionen und Lebensweisen. Integration bedeutet, dass man sich verändert. So sieht sie das. Sie schunkelte mit.

Sie hat in Steilhängen gestanden und Triebe aufgebunden, damit der Wind sie nicht bricht, sie hat Löwenzahn und Gräser gejätet, damit sie den Reben kein Wasser rauben. Sie hat viel über den Wein gelernt. Sie hat viel über Deutschland gelernt.

Sie hat sich, Tag 324 im Amt, von der Feuerwehr hoch zum Petrusbrunnen auf dem Trierer Hauptmarkt fahren lassen. Dann hat sie der Brunnenfigur Blumen zugesteckt. Der Heilige Petrus ist der Stadtpatron, zum einen, zum anderen ist er für das Wetter verantwortlich. Drei Tage Altstadtfest, die Blumen sollten ihn milde stimmen. Aber das wusste sie erst nicht.

Als sie die Krone am Mittwochabend zum viertel Mal anhob, da löste sie sich aus den Haaren. Sie hat sie abgegeben und mit ihr das Amt. Was bleibt?

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SZ PlusFlüchtlinge in Deutschland
:Ninorta, Weinkönigin

Ein Jahr lang war Ninorta Bahno aus Syrien die Trierer Weinkönigin. Sie hat Gläser gefüllt und geleert und einen Ort repräsentiert, den sie nicht wirklich kannte. Auch ein Weg, den Deutschen näherzukommen.

Von Gianna Niewel

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