Ferguson vor der Entscheidung der Grand Jury:Eine Stadt verbarrikadiert sich

Lesezeit: 3 min

Absicherung gegen die erwarteten Ausschreitungen: Ein Geschäft im Zentrum von Ferguson. (Foto: REUTERS)
  • In Ferguson im US-Bundesstaat Missouri entscheidet eine Jury möglicherweise schon an diesem Freitag, ob Anklage gegen Darren Wilson erhoben wird.
  • Der weiße Polizist hatte im August den schwarzen Jugendlichen Michael Brown erschossen.
  • Laut Wilson handelte er in Notwehr. Zeugen sagen, der unbewaffnete Michael Brown habe die Hände erhoben gehabt, als er erschossen wurde.
  • Wie schon im August werden gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei befürchtet.

Von Felicitas Kock

Schaufenster und Glastüren sind mit Sperrholzplatten abgedeckt, nur ein paar behelfsmäßig angebrachte Schilder lassen erkennen, dass die Geschäfte geöffnet haben. Schüler haben Lernstoff für mehrere Tage mit nach Hause bekommen, weil der Unterricht womöglich nicht wie gewohnt abgehalten werden kann. Die Einwohner von Ferguson haben sich in ihren Wohnungen verbarrikadiert - und über allem schwebt die Angst vor dem, was kommen könnte.

Die Stadt im Osten des US-Bundesstaats Missouri wartet auf die Entscheidung der Grand Jury. Das Gremium aus zwölf Schöffen kommt an diesem Freitag zusammen. Die juristischen Laien beraten abschließend über die tödlichen Schüsse, die der weiße Polizist Darren Wilson am 9. August auf den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown abgegeben hat.

Die Jury entscheidet, ob ein hinreichender Verdacht besteht, um Anklage gegen Wilson zu erheben und darüber, wie der Vorwurf gegen den 28-Jährigen lauten könnte. Möglich ist der Staatsanwaltschaft zufolge alles von fahrlässiger Tötung bis hin zu Mord. Nur, wenn die Jury Anklage erhebt, kommt es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren. Auch wenn die Schöffen am Freitag entscheiden, soll die Entscheidung erst am Sonntag offiziell bekanntgegeben werden.

Viele in Ferguson glauben, dass die Grand Jury Wilson wird laufen lassen - und dann gelten Ausschreitungen als gesetzt. So wie in den Tagen nach dem Tod Michael Browns, als Tausende Menschen in Ferguson und in der nahegelegenen Großstadt St. Louis auf die Straße gingen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren; als sich gewaltbereite Gruppen heftige Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften lieferten; als die Polizei Tränengas, Gummigeschosse, Blendgranaten und gepanzerte Fahrzeuge gegen Demonstranten einsetzte - und der Lage dennoch nicht Herr wurde.

Von Anfang an war umstritten, was an jenem 9. August genau passiert ist. Fest steht, dass Darren Wilson den jungen Michael Brown anhielt, weil dieser mit einem Freund mitten auf der Straße lief. Der Beamte sagte später aus, den Teenager nach einem Handgemenge aus Notwehr erschossen zu haben. Zeugen wollen allerdings beobachtet haben, dass der unbewaffnete Jugendliche vor seinem Tod die Hände erhoben hatte. Klar ist: Der 18-Jährige wurde von mindestens sechs Kugeln getroffen, er starb noch vor Ort.

Wilson selbst ist seit dem tödlichen Vorfall nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Nach entsprechenden Äußerungen des Polizeichefs von Ferguson ist nicht zu erwarten, dass er in den Dienst zurückkehrt.

Umstrittener Vorfall in Ferguson
:Schütze äußert sich zum Tod von Michael Brown

Der Tod des schwarzen Teenagers Michael Brown im US-Bundesstaat Missouri hatte heftige Proteste ausgelöst und nationale Debatten entfacht. Nun wird zum ersten Mal die Version des Polizisten bekannt, der Brown erschossen hat.

Der Vater des Opfers, Michael Brown Senior, hat die Menschen in einer Videobotschaft aufgefordert, Ruhe zu bewahren - ganz gleich, wie die Entscheidung der Grand Jury ausfällt. Er dankt den Einwohnern seiner Stadt zunächst, dass sie sich gegen Racial Profiling und Polizeigewalt starkmachen. "Aber andere zu verletzen und Häuser kaputtzumachen, ist nicht die Anwort", sagt der Mann und blickt starr in die Kamera. Er wolle nicht, dass der Tod seines Sohnes vergebens sei, sondern, dass er dazu führe, das Leben in der Stadt für alle besser zu machen, egal welche Hautfarbe sie haben.

Dass er mit seiner Bitte auf Gehör stoßen wird, ist unwahrscheinlich. Bilder der vergangenen Tage zeigen, dass es bereits wieder zu vereinzelten Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen ist. Manche Leute scheinen nur darauf zu warten, dass es wieder losgeht. Im August hatten sich auch Schlägertrupps aus weit entfernten Regionen der USA unter die einheimischen Demonstranten gemischt.

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Der Unterschied zu damals: Diesmal ist die Stadt auf die Eskalation der Gewalt vorbereitet. Nicht nur Geschäfte und Schulen haben sich gerüstet, auch die Polizei ist einsatzbereit: "Wir hatten drei Monate Zeit, uns darauf einzustellen. Gewalttaten werden wir nicht tolerieren. Unsere Informationslage ist gut, unsere Taktik ist gut. Wir können gesetzestreue Bürger schützen und gleichzeitig Kriminelle einsperren", zitiert der Nachrichtensender CNN den Polizeichef von St. Louis. Der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, hat bereits am Sonntag den Notstand ausgerufen und die Nationalgarde aktiviert.

Doch nun gilt es erst einmal abzuwarten, ob die zwölf Schöffen an diesem Freitag überhaupt zu einer Entscheidung kommen - oder ob Ferguson noch ausharren muss in dem Zustand banger Erwartung.

Linktipps:

Die Huffington Post hat ein Q&A zur Grand Jury zusammengestellt.

Die Washington Post hat mit Jugendlichen aus Ferguson gesprochen, die auf die gleiche Schule gehen wie einst Michael Brown.

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