Fall Freddie Gray:Polizei in Baltimore soll Verdächtigen Arztbesuche verwehren

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Ermittler werfen der Polizei vor, Freddie Gray medizinische Versorgung verweigert zu haben. In Baltimore ist das offenbar kein Einzelfall: Beamte sollen bei Hunderten verletzten Verdächtigen Hilfe abgelehnt haben.

Dem verstorbenen Freddie Gray wurde medizinische Hilfe verweigert. Das zumindest wirft Staatsanwältin Marilyn Mosby sechs Polizeibeamten vor. In Baltimore ist das offenbar kein Einzelfall: Recherchen der Baltimore Sun zufolge schaut die Polizei der Stadt regelmäßig bei Verletzungen und Erkrankungen von Verdächtigen weg.

Die Zeitung hat staatliche Aufzeichnungen ausgewertet, die das Blatt im Rahmen des Maryland Public Information Act erhalten hat. Zwischen Juni 2012 und April 2015 wurde demnach Hunderten Menschen in Polizeigewahrsam medizinische Hilfe verweigert. 2600 Verletzte wurden stattdessen ins Stadtgefängnis von Baltimore gebracht. Laut Gesetz müssen Verdächtige medizinische Hilfe erhalten, bevor sie ins Gefängnis kommen. Aus den Daten gehe hervor, dass es sich um eine Vielzahl von Verletzungen handelte - von gebrochenen Knochen bis zu Bluthochdruck. 123 Häftlinge hätten eine sichtbare Kopfverletzung gehabt.

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Kritikern zufolge zeigen die Daten, dass sich Beamte nicht für den Zustand der Gefangenen interessieren. Warum sollten sie medizinische Versorgung anbieten, wenn sie für viele Verletzungen selbst verantwortlich seien?, wird ein Anwalt zitiert, der in den vergangenen Jahren Dutzende Beamte verklagt hat. Polizisten fehle es an einer angemessenen Ausbildung, um Verletzungen zu erkennen, erklärten dagegen Kriminologen. Oft würden Beamte vermuten, Verdächtige hätten die Verletzungen erfunden, um nicht ins Gefängnis zu kommen.

Die Baltimore Sun hatte zuvor bereits eine Recherche über Polizeigewalt in Baltimore veröffentlicht. 5,7 Millionen Dollar hat die Stadt demnach seit 2011 an Opfer von Polizeigewalt gezahlt. Die Summe verteilt sich auf etwa hundert Kläger, die gegen die Stadt vor Gericht gezogen sind, weil sie von Beamten körperlich angegriffen oder grundlos festgenommen wurden.

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Der 25-jährige Gray war am 12. April festgenommen worden und erlitt in Polizeigewahrsam schwere Rückenmarksverletzungen auf Halshöhe. Er fiel ins Koma und starb am 19. April. In Baltimore kam es daraufhin zu Ausschreitungen. Die Staatsanwaltschaft in Baltimore hat inzwischen sechs Polizisten angeklagt.

Die Ermittler gehen davon aus, dass sich Gray während der Fahrt im Polizeitransporter das Genick brach. Die Beamten hätten ihn auf den Bauch in den Wagen gelegt und nicht angeschnallt. Staatsanwältin Mosby wirft den Polizisten vor, den Mann misshandelt und ihm medizinische Versorgung verweigert zu haben.

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