Dänemark:Schwerer Verdacht gegen den U-Boot-Kapitän

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Peter Madsen ging es offenbar gut, als er sich aus seinem sinkenden U-Boot an Land rettete. (Foto: Bax Lindhardt/AFP)

Die Journalistin Kim Wall besuchte den dänischen Tüftler Peter Madsen auf seinem selbstgebauten U-Boot. Jetzt fehlt von ihr jede Spur, das Boot ist gesunken. Was ist passiert?

Von Silke Bigalke

Sie waren nur zu zweit an Bord, als sie in See stachen. Ihr Gefährt, ein mittelgroßes U-Boot, hatte der dänische Tüftler Peter Madsen selbst gebaut und Nautilus genannt, wie das Schiff aus den Romanen von Jules Verne. Madsen, der Mann für die scheinbar unmöglichen Missionen, der in den letzten Jahren viel stritt und viel versuchte, war schon immer eine gute Story in Dänemark. Vermutlich ist die schwedische Journalistin Kim Wall deswegen am Donnerstagabend zu ihm ins Boot gestiegen, sie wollte über Madsen schreiben. Jetzt ist sie selbst Teil einer unheimlichen Geschichte mit offenem Ende. Denn nur wenig später ist die Nautilus gesunken, die Journalistin verschwunden und Peter Madsen sitzt hinter Gittern.

Der 46-jährige U-Boot-Bauer wird verdächtigt, Kim Wall getötet zu haben. Die Polizei hält ihn deswegen fest, bis zu 24 Tage soll er in Haft bleiben. Madsen selbst bestreitet alle Vorwürfe. Er sagt, er habe die 30-jährige Schwedin bereits am späten Donnerstagabend auf der Halbinsel Refshaleøen am Kopenhagener Hafen abgesetzt, von der sie auch losgefahren waren. Gegen 22.30 Uhr soll sie an Land gegangen sein, offenbar in der Nähe eines Restaurants, dessen Überwachungskameras womöglich alles gefilmt haben könnten, wie dänische Medien berichten. Um 2.30 Uhr in der Nacht schlug der Freund der Schwedin Alarm, weil sie nicht nach Hause gekommen war. Aber Peter Madsen auf seinem U-Boot war nicht erreichbar. Das dänische Militär machte sich noch in der Nacht mit zwei Hubschraubern und drei Schiffen auf die Suche nach den Vermissten.

Gefunden haben sie die UC3 Nautilus etwa acht Stunden später, am Freitagmorgen um 10.30 Uhr in der Bucht bei Køge, etwa 50 Kilometer südlich von Kopenhagen. Da schwamm das U-Boot noch an der Oberfläche und Peter Madsen war wohlauf. Er gab zu verstehen, dass er nun Kurs auf Kopenhagen nehmen würde. Kurz darauf sank die Nautilus. Ein Augenzeuge berichtete, Madsen habe bis zuletzt auf dem Turm des Bootes gestanden. Er sei sogar noch einmal kurz ins Innere gegangen, bevor es unterging. Dann sei er ins Wasser gesprungen und zu einem privaten Boot geschwommen, das ihn an Land brachte.

Dort empfingen ihn bereits die Journalisten. Das dänische Fernsehen zeigt den Tüftler, wie er aus dem Rettungsboot steigt, Daumen hoch für die Kamera. Es gehe ihm gut, sagt er dem dänischen Sender TV2, er sei nur traurig, dass seine Nautilus gesunken ist. Dann läuft er in grünem Overall, den er offenbar gegen seine nassen Sachen getauscht hat, über den Pier, die knisternde Rettungsdecke hält er zusammengeknüllt in den Händen, er braucht sie nicht. Offenbar geht es ihm gut. Aber er ist allein. Von Kim Wall fehlt jede Spur.

Aber Madsen war allein. Von Kim Wall, der Journalistin, die über ihn schreiben wollte und zuvor an Bord gewesen war, fehlt bisher jede Spur. (Foto: Tom Wall/AFP)

Wo ist seine Passagierin? Warum hat sich Madsen die ganze Nacht nicht gemeldet, während die Großsuche nach ihnen lief? Peter Madsen sagte den Journalisten, er habe "technische Schwierigkeiten" gehabt und deswegen den Funkkontakt verloren. Es sei auf einer Probefahrt gewesen, habe ein paar Dinge getestet. Ein Problem mit dem Ballasttank habe dann dazu geführt, dass die Nautilus sank. Alles sei sehr schnell gegangen, innerhalb von 30 Sekunden sei alles voller Wasser gewesen. Aber zu dem Zeitpunkt soll Kim Wall ja schon längst nicht mehr an Bord gewesen sein.

Madsen wird trotzdem festgenommen. Am Samstag erklärte die Staatsanwältin in Kopenhagen, er bleibe wegen Verdacht auf Totschlags in Haft. Seine Anwältin erklärt, er halte weiterhin an seiner Unschuld fest und überlege noch, gegen das Hafturteil in Berufung zu gehen. Walls Familie hat sich im dänischen Fernsehen zu Wort gemeldet. Sie hoffe, dass die Journalistin, die in New York und Peking lebt und unter anderem Texte in der New York Times, im Guardian und in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat, "sicher und wohlauf" gefunden werde.

Die "UC3 Nautilus" im Hafen von Kopenhagen, Dänemark. (Foto: Anders Valdsted/Reuters)

Für Peter Madsen, oder "Raketen-Madsen", den Selfmade-Ingenieur und Studienabbrecher, der jahrelang auf einer Matratze unter seiner Werkbank geschlafen haben soll, war die UC3 Nautilus Grundlage seines Ruhms. Immerhin gilt sie mit ihren knapp 18 Metern und 38 Tonnen als das größte privat gebaute U-Boot der Welt. Finanziert hat Madsen sie über Crowdfunding, und 2008 dann vom Stapel gelassen, allerdings nicht ganz allein. Madsen hat die Nautilus und zwei weitere, kleinere Tauchboote gemeinsam mit einer Gruppe von U-Boot-Enthusiasten gebaut, mit denen er sich später zerstritt. 2015 übertrug der Verein ihm schließlich das Eigentum an der Nautilus.

Das U-Boot ist nicht das einzige irrwitzige Projekt des Dänen. Im selben Jahr, als die Nautilus erstmals in See stach, begann Madsen damit, seine eigene Rakete zu planen. Diesmal wollte er nicht 100 Meter tief ins Meer, sondern 100 Kilometer hoch ins All - über die Kármán-Linie, wo die Raumfahrt beginnt. Wieder suchte er Hilfe und fand den früheren Nasa-Mitarbeiter Kristian von Bengtson. Der sollte die Kapsel bauen, in der Peter Madsen zurück auf die Erde fallen wollte, nachdem er am All gekratzt hatte. Auch ein Verein stand hinter ihm, die "Copenhagen Suborbitals".

"Bewusste Handlung"

Als die Gruppe 2010 die erste Plattform für einen Testraketenstart auf die Ostsee brachte, war es die Nautilus, die sie dorthin zog. Drei Jahre später feierte der Verein einen ersten großen Erfolg: Eine Rakete stieg 8,5 Kilometer hoch und die Dummies im Inneren nahmen keinen Schaden. Doch 2014 zerstritt sich Peter Madsen mit den Hobby-Raketenbauern, stieg auch aus diesem Verein aus und gründete stattdessen das "Rocket Madsen Space Lab". Beide Gruppen konkurrieren nun um die erste Do-it-yourself-Weltraumreise. Der erste Däne im All wird Madsen aber nicht mehr werden, da ist ihm 2015 der Astronaut Andreas Mogensen zuvorgekommen.

Überhaupt scheint vieles nun infrage zu stehen. Taucher haben die Nautilus inzwischen geborgen, man hat sie an Land geschleppt und das Wasser ablaufen lassen, Ermittler durchsuchten sie nach Hinweisen. Eine Leiche wurde nicht gefunden, zumindest so viel sagte die Polizei.

Was Jens Møller, Ermittlungsleiter bei der Kopenhagener Polizei, jedoch auch sagte: Es wirke so, als habe eine "bewusste Handlung" das U-Boot - Madsens Lebenswerk - zum Sinken gebracht.

© SZ vom 14.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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