Bundesgerichtshof:Mann und Mutter

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Was schreibt man nun ins Geburtenregister? Für das Standesamt sind juristische Kategorien heilig. (Foto: imago)

Ein Transsexueller, der ein Kind geboren hat, ist laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshof nicht berechtigt, sich als Vater eintragen zu lassen - im Geburtenregister wird er als Mutter geführt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Geschichten vom fließenden Übergang der Geschlechter können ab und zu ein wenig verwirrend sein. Aber der Fall, über den nun der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, hat es wirklich in sich. Es geht, kurz gesagt, um einen Mann, der nun als Mutter ins Geburtenregister eingetragen wird: für ein Kind, das er vor vier Jahren geboren hat. Aber der Reihe nach.

Die Hauptperson dieser Geschichte wurde 1982 als Mädchen geboren, sie wuchs als Mädchen auf und heiratete mit Mitte Zwanzig einen Mann. 2008 war das. Bald darauf vollzog sie, die sich eigentlich als Mann fühlte, den Wechsel der geschlechtlichen Identität. Nicht operativ, sondern durch eine amtliche Namensänderung, die im Jahr 2011 vom Amtsgericht Schöneberg festgestellt wurde. Als die Ehe 2013 geschieden wurde, war die einstige Ehefrau juristisch gesehen bereits ein Mann. So weit, so nachvollziehbar.

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Allerdings hatte der Mann, der ja immer noch im Körper einer Frau lebte, eine Behandlung mit männlichen Hormonen inzwischen abgesetzt - und war mithilfe einer Samenspende schwanger geworden. Kurz nach der Scheidung kam das Kind zur Welt. Für das Standesamt war das insofern ein Problem, als die Beamten - denen juristische Kategorien heilig sind - es nunmehr mit einem gerichtlich anerkannten Mann zu tun hatten, der ein Kind geboren hat. Was also sollte man ins Geburtenregister schreiben: Vater oder Mutter?

Dazu muss man wissen, dass für Transsexuelle ein amtlicher Eintrag weit mehr ist als eine bloße Formalie. Wer das Geschlecht wechselt und sich damit auf den schwankenden Boden einer unsicheren Identität begibt, für den kann ein behördlicher Akt eine überaus große Bedeutung haben - als staatlicher Beleg der eigenen, tief empfundenen Zugehörigkeit zur Welt des neuen Geschlechts. Ein Registereintrag wird zum Ausweis der neuen Identität. Jedenfalls ging der Fall durch die Instanzen. Nun hat der BGH entschieden: Nach außen bleibt ihm zwar der Männername und das neue Geschlecht erhalten. Ins Geburtenregister wird er aber gleichwohl als Mutter eingetragen, noch dazu mit dem einstigen Mädchenvornamen. Und zwar deshalb, weil Mutter und Vater "nicht beliebig austauschbar" seien: Mutter sei nach deutschem Recht nun mal die Person, die das Kind geboren habe. Diese Information gehöre ins Geburtenregister, auch, um den Kind Sicherheit zu geben.

Der Mann, der nun als Mutter gilt, kann aus Sicht des BGH übrigens auch künftig mit seiner männlichen Identität weiterleben. Der Auszug aus dem Geburtenregister komme nur selten zum Einsatz. Meist könne man die Elternfrage diskret offen lassen.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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