"Wie ich euch sehe" zu Transgender:"Ich bin nicht im falschen Körper"

Lesezeit: 4 min

"Wie ich euch sehe" zu Transgender: Lara B. wäre gern eine ganz normale Frau.

Lara B. wäre gern eine ganz normale Frau.

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Ihr größter Wunsch: Frau sein zu können, ohne andere damit zu irritieren. Eine Transgender-Frau erzählt von ihren Erfahrungen im Alltag, im Job - und in der Ehe.

Protokoll von Violetta Simon

Mein Körper ist der eines Mannes, doch ich bin eine Frau - und als Frau möchte ich mein Leben leben. In unseren Köpfen herrscht die Vorstellung, dass der Körper uns zu dem macht, was wir sind: Mann oder Frau. Das macht mich zu einer Person, die es eigentlich nicht geben darf. Viel zu lange habe ich das nicht hinterfragt und mich selbst abgelehnt. Inzwischen ist mir klar geworden: Ich muss und ich will mit diesem Körper leben.

Die meisten Transgender tun alles dafür, ihre biologische Natur zu verbergen. Doch mit meinen knapp zwei Metern Körpergröße, der kräftigen Statur und den großen Händen werde ich als Frau immer Aufsehen erregen. Daher bleibt mir nur die Wahl, ein verzweifelter Mann oder eine auffällige Frau zu sein.

Obwohl mein Geschlecht nur eine von vielen Facetten meiner Persönlichkeit ist, muss ich mich ständig damit auseinandersetzen. Alles kreist darum, wer oder was ich bin, immer wieder muss ich mich vor euch rechtfertigen. Dabei gibt es neben der Verwirklichung der eigenen Geschlechtsidentität auch noch andere wichtige Aspekte in meinem Leben. Dafür gehe ich Kompromisse ein und lebe beide Geschlechter.

Da wäre zum Beispiel meine Ehe: Ich liebe meine Frau und weiß, dass die Situation für sie unerträglich wäre, wenn ich komplett die Seiten wechseln würde. Seit mehr als 15 Jahren lebt sie mit dem Wissen, dass ich mich als Frau fühle, und bis heute war und ist es ein langer, zuweilen schmerzhafter Prozess, unseren gemeinsamen Weg auszuloten und unsere Partnerschaft zu gestalten. Doch unsere Beziehung ist uns beiden wichtig, wir wollen sie nicht aufgeben.

In meinem Job ziehe ich es vor, in die Rolle des Mannes zu schlüpfen. Da darf man sich keine Illusionen machen - andernfalls würde ich beruflich sofort kaltgestellt werden. Selbst Arbeitgeber mit einer fortschrittlichen Unternehmenskultur würden nicht so weit gehen, leitende Positionen mit Transgendern zu besetzen, aus Angst, Geschäftspartner vor den Kopf zu stoßen: Führungskräfte dürfen nicht irritieren.

Nicht der Körper entscheidet über das Geschlecht

Ich weiß, es ist viel verlangt, mein Konzept zu verstehen: dass man beides haben will. Selbst andere Transgender kritisieren, dass ich nicht die letzte Konsequenz auf mich nehme und meinen Körper operativ verändern lasse. Im Grunde haben sie aber auch nur dieselben Denkmodelle wie ein Großteil der Gesellschaft: Sie glauben, der Körper entscheidet über das Geschlecht.

Für Menschen wie mich gibt es ja die schöne Erklärung, dass Transgender "im falschen Körper gefangen seien" - eine Interpretation, die alle glücklich machen könnte. Doch so ist es nun einmal nicht. Nicht mein Körper ist falsch, sondern die gesellschaftlichen Normen und ihre Vorstellung. Das Geschlecht eines Menschen erschöpft sich nicht in seinen Genitalien, und Transidentität ist weitaus mehr als ein körperlicher Aspekt. Geist, Verstand und Psyche gehören ebenso dazu, auch wenn man sie nicht sehen kann. All das macht uns zu dem, was wir sind. Niemand würde ernsthaft behaupten, dass Menschen allein über ihren Körper definiert werden - warum sollte das bei transidentitären Menschen anders sein?

Wir sind nicht nur Individuen mit bestimmten Eigenschaften, sondern soziale Wesen mit Bedürfnissen und Beziehungen. Wir treffen doch nicht alle Lebensentscheidungen ausschließlich unter dem Blickwinkel unseres Geschlechts! Wir haben emotionale, körperliche, intellektuelle Bedürfnisse, die davon unabhängig sind. Wozu also soll ich meinen Körper oprativ verändern lassen, nur um irgendwelche wildfremden Leute zufriedenzustellen?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema