Brandanschlag:Rätselraten über eine unbegreifliche Tat

Lesezeit: 3 min

Sieben Wochen nach einem Brandanschlag auf eine afroamerikanische Kirche im US-Staat Mississippi ist nun ein Afroamerikaner als Verdächtiger festgenommen worden (Foto: AP)
  • Sieben Wochen nach einem Brandanschlag auf eine Kirche im US-Staat Mississippi ist nun ein Afroamerikaner als Verdächtiger festgenommen worden.
  • Nachdem die Behörden zunächst von einer politisch motivierten Tat ausgingen, sind nun viele fassungslos.

Eigentlich kann sich niemand in der afroamerikanischen Gemeinde einen Reim darauf machen: Eines ihrer eigenen Mitglieder soll einen Brandanschlag auf die Hopewell Missionary Baptist Church in Mississippi verübt und auf die Mauer des Gotteshauses die Worte "Vote Trump" ("Wählt Trump") gesprüht haben.

Die Tat hatte damals - wenige Tage vor der US-Wahl - für einen Aufschrei der Empörung gesorgt. Der seit einigen Monaten amtierende afroamerikanische Bürgermeister Errick Simmons rief die Behörden auf, die Tat als mögliches Hassverbrechen zu untersuchen.

Die Bundespolizei FBI kündigte an, sie werde der Aufforderung Folge leisten, eine entsprechende Anklage wurde bislang aber nicht erhoben.

Vermutlich auch zu Recht. Denn der Verdächtige ist kein weißer Rassist, sondern ein 45-jähriger Schwarzer, der selbst häufig in die niedergebrannte Kirche in dem Ort Greenville ging. Er wurde diese Woche festgenommen und bleibt vorerst im Gefängnis, die Höhe der Kaution wurde auf 250 000 Dollar festgelegt.

Der Verdächtige, der in einem Vorort von Greenville, Leland, lebt, verbrachte bereits mehrere Jahre in Mississippi im Gefängnis, unter anderem wegen bewaffneten Raubüberfalls.

Festnahme eines schwarzen Verdächtigen ruft bei Afroamerikanern Skepsis hervor

Chris Orr, Einwohner von Greenville und ehemaliger Polizeibeamter in der Stadt, äußerte sich frustriert über die womöglich voreilige Schlussfolgerung seines Bürgermeisters. "Ich respektiere den Bürgermeister sehr", sagte Orr. "Aber indem er vor Beginn der Ermittlungen von einem Hassverbrechen gegen 'eine traditionell schwarze Kirche in einer schwarzen Gemeinde' gesprochen hat, hat er den Verdächtigen als weiße Person beschrieben, ob er das nun direkt gesagt hat oder nicht."

Simmons war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Doch sein Zwillingsbruder, der demokratische Senator Derrick Simmons aus Greenville, verteidigte das Vorgehen seines Bruders. "Es gibt eine dunkle Vergangenheit in Amerika und im Südosten der Südstaaten, was brennende afroamerikanische Kirchen angeht", sagte er. "Angesichts der Vergangenheit und der Geschichte halte ich es für gerechtfertigt, dass die Strafverfolgungsbehörden diese Angelegenheit zunächst als Hassverbrechen untersucht haben."

Viele Nutzer auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken äußerten sich dagegen ähnlich kritisch wie Orr. Einige Afroamerikaner wiederum zeigten sich skeptisch über die Festnahme eines schwarzen Verdächtigen.

Auch Derrick Simmons sagte, er habe mit einigen Bewohnern von Greenville gesprochen, die überrascht seien über den Brandstiftungsvorwurfe gegen einen Afroamerikaner. "Ich denke, unabhängig von der eigenen Ethnie gehen die Menschen im Allgemeinen nicht davon aus, dass für eine solche Tat jemand mit dem ethnischen Hintergrund (des Verdächtigen) verantwortlich gemacht wird", sagte der Senator. Über die Ermittlungen, die zur Festnahme führten, habe die Behörden bislang nichts mitgeteilt.

Nach Angaben des Leiters der Versicherungsaufsichtsbehörde von Mississippi, Mike Chaney, der auch für die Feuerwehrkräfte des Staates verantwortlich ist, halten die Ermittler die Tat nicht für politisch motiviert.

78 Prozent Schwarze in Greenville

Der Vorfall ereignete sich in einer Stadt mit mehrheitlich afroamerikanischer Bevölkerung: Von den 32 100 Einwohnern von Greenville sind 78 Prozent dunkelhäutig.

Die Hafenstadt liegt am Fluss Mississippi und ist ein wichtiger Handelsknotenpunkt für die regionale Baumwollindustrie. Die Hopewell-Kirche wurde 1905 im Herzen eines afroamerikanischen Viertels gegründet und hat heute etwa 200 Gemeindemitglieder.

Einige Mauern des beigefarbenen Backsteingebäudes überstanden zwar das Feuer, doch die Überreste des Gebäudes wurden kürzlich abgerissen. Der Wiederaufbau dürfte Monate dauern. Bis dahin wurden die Gläubigen von der First Baptist Church aufgenommen, deren Gemeinde überwiegend aus Weißen besteht.

Der leitende Pfarrer James Nichols versucht nach eigenen Worten seit der Festnahme mit dem Hopewell-Bischof Clarence Green Kontakt aufzunehmen. Er halte es für wichtig, dass die Menschen nicht in widerstreitende Spekulationen über das Motiv der Brandstiftung verfallen, sagte Nichols. Die Justiz werde herausfinden, ob der Verdächtige der Täter sei.

"Eine Kirche ist zutiefst verletzt und verwundet worden", erklärte der Geistliche. Durch die Festnahme sei die Wunde nun erneut aufgerissen worden. Nichols rief zu Gebeten für alle Betroffenen auf.

Greenville liegt im Bezirk Washington, einer traditionellen Hochburg der Demokraten in einem ansonsten streng republikanischen US-Staat. Bei der Wahl vom 8. November ging Mississippi klar an den Republikaner und späteren Wahlsieger Donald Trump. In Washington County aber erhielt die Demokratin Hillary Clinton mehr als doppelt so viele Stimmen wie der künftige US-Präsident.

© AP/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: