Angriffe in Deutschland:Das perfide Phänomen der Gruselclowns

Neuverfilmung des Bestsellers 'Es' von Stephen King

Der Vater aller Gruselclowns: Pennywise aus Stephen Kings "Es" (hier: gespielt von Bill Skarsgård für eine Neuverfilmung, die im September 2017 in die Kinos kommen soll).

(Foto: Marco Grob/dpa)
  • Wie die meisten behämmerten Trends kommt das Phänomen aus den USA: Gruselclowns, die Passanten erschrecken und angreifen.
  • In Deutschland häufen sich diese Attacken. Die Polizei ist hilflos und warnt vor einem "sehr, sehr hässlichen Trend".
  • Sogar Stephen King, der mit seinem Horrorklassiker "Es" maßgeblich zum Imageschaden der Clowns beitrug, hat sich schon eingeschaltet.

Von Titus Arnu

Clowns arbeiten gerne mit Überraschungseffekten. Sie lassen Wasser aus Plastikblumen spritzen. Sie kloppen mit quietschenden Gummiknüppeln auf dem Kopf eines anderen Clowns herum. Sie bewerfen sich gegenseitig mit Torten. Sie setzen sich auf Stühle, die unter ihnen zusammenbrechen. Das soll dann lustig sein, aber ob man so etwas als Zuschauer zum Kaputtlachen oder eher nervig findet, ist Geschmackssache.

Neuerdings tauchen nun immer öfter Clowns auf, die sich gemeingefährlich benehmen. Sie tragen gruselige Masken, verstecken sich hinter Bäumen und erschrecken Passanten. Sie gehen mit Baseballschlägern, Messern und Pistolen auf Leute los. In Wesel führte eine Frau ihren Hund Gassi, als ein "Unbekannter im Clownskostüm aus einem Busch trat", wie es im Polizeibericht heißt. Er hatte eine Kettensäge dabei, konnte diese aber zum Glück nicht starten.

Andere Fälle liefen nicht so glimpflich ab: In Gelsenkirchen verletzten zwei Horrorclowns einen Mann mit einem Messer an der Hand. In Rostock griff ein Clown einen 19-Jährigen an und schlug mit einem Baseballschläger auf ihn ein, das Opfer erlitt Prellungen und Hämatome an den Armen und am Kopf. In der Nacht zum Samstag fackelten Unbekannte in Salzwedel neun Autos ab, mindestens ein Täter trug dabei eine Clownsmaske. Die Polizei kann nicht viel machen, denn die Beschreibung der Verdächtigen ist in den meisten Fällen ein Witz: buntes Kostüm, rote Lippen, rote Nase.

Vorbild: Pennywise aus Stephen Kings Horrorklassiker "Es"

Wie die meisten behämmerten Trends kommt das Phänomen aus den USA, dem Land, in dem ein Polit-Clown mit rotem Kopf und lächerlicher Frisur ernsthaft Präsident werden will. Seit vergangenem Jahr verkleiden sich Menschen dort um Halloween herum besonders gerne als Gruselclowns, um Leute zu erschrecken, was teilweise aber in Belästigungen, Bedrohungen und Gewalttaten ausartet. Eines der Vorbilder ist Pennywise, der mordende Clown aus Stephen Kings Horrorklassiker "Es", andere berühmte Gruselgestalten sind der Joker aus "Batman" und die Metal-Band Slipknot, die in Halloween-Clownsmasken auftritt. Die bösen Clowns haben sich seuchenartig ausgebreitet, von Nordamerika über Großbritannien nach Deutschland. Britische Zeitungen haben dafür den Begriff "Clownpocalypse" erfunden.

Clown-Sichtungen werden auf Karten im Internet eingetragen, angebliche Augenzeugen laden Horrorclown-Videos hoch. Viele dieser Clips sind allerdings gestellt. So entpuppte sich ein gruseliger Kurzfilm, der im Netz 1,5 Millionen Mal geteilt wurde, als Werbung für eine Halloween-Party in Massachusetts.

"Diese Clowns sind nicht nur Idioten, sie sind Straftäter."

"Es ist zu befürchten, dass aus den Clown-Attacken ein ganz, ganz hässlicher Trend wird, der sich zu Halloween in Großstädten ausbreitet", sagt Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Opfer sollten umgehend die Polizei rufen und jeden Fall anzeigen. "Diese Clowns sind nicht nur Idioten, sie sind Straftäter. Jemanden auf so widerliche Weise zu erschrecken, ist Körperverletzung", betont Wendt. Positiv gesinnte Clowns fühlen sich in ihrer Berufsehre gekränkt und wehren sich gegen das geschäftsschädigende Gebaren ihrer Horror-Kollegen. "Sie wollen nur Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Völliger Blödsinn!", sagt Rolf Knie, einer der bekanntesten Schweizer Clowns.

Die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und völligen Blödsinn machen, das stand eigentlich schon immer in der Stellenbeschreibung von Clowns. Aber bisher waren die Witzfiguren grundsätzlich friedlich gesinnt. Das Bedrohen und Verletzen des Publikums gehörten eher nicht zu ihrem Repertoire. Der Dachverband Clowns in Medizin und Pflege in Deutschland ist deshalb der Meinung, die Gruselclowns seien überhaupt keine Clowns: "Es sind wirre Menschen, die ihre destruktiven Neigungen nur auf diese armselige Art ausleben wollen." Deshalb sollten sie als Abgrenzung nicht als Clowns, sondern eher als "Grinsefratzen" bezeichnet werden.

So mischt sich Stephen King in die Debatte ein

Ob das hilft? Die Angst vor Grinsefratzen kann nämlich auch natürliche Ursachen haben. Wer beim Anblick von weiß geschminkten Gesichtern, übergroßen Schuhen und roten Pappnasen Symptome wie Angstschweiß und erhöhten Puls an sich beobachtet, leidet möglicherweise unter Coulrophobie - der Furcht vor Clowns. Diese Angststörung ist von der WHO als Krankheitsbild anerkannt, in der Fachwelt ist umstritten, ob sie tatsächlich existiert.

Eine Studie der University of Sheffield enthüllte jedenfalls, dass sich manche Kinder vor Clowns fürchten. Psychologen erklären das Phänomen mit dem "Uncanny-Valley-Effekt". Dieser tritt beim Anblick von menschenähnlichen Gestalten auf, die sich leicht von Menschen unterscheiden, etwa bei Puppen, Robotern oder Clowns. Laut dem japanischen Robotikforscher Masahiro Mori, der den Effekt im Jahr 1970 beschrieb, kann diese leichte Diskrepanz eine negative Irritation beim Betrachter auslösen. Die wahren Emotionen des Clowns bleiben schleierhaft, was hinter seiner grinsenden Fassade steckt, ist unsicher - und genau mit dieser unheimlich wirkenden Unsicherheit spielen Gruselfilm-Regisseure und Thriller-Autoren.

Zahl der Übergriffe gewalttätiger Gruselclowns könnte weiter steigen

Eigentlich können Clowns also schon ohne Baseballschläger und Messer Panik verbreiten. Doch nach Einschätzung von Jens Hoffmann, dem Leiter des Instituts Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt, könnte die Zahl der Übergriffe gewalttätiger Gruselclowns in Deutschland weiter steigen. Der Übergang von einem derben Halloween-Scherz zur Gewalttat ist fließend. "Für viele ist das ein Spaß, einige wenige scheinen aber eine sadistische Motivation zu haben, wenn man sich die Aggressivität einiger Taten anschaut", sagt Psychologe Hoffmann.

Die Polizei verfolgt alle Clown-Attacken, die zur Anzeige gebracht werden. In Bochum etwa wird ein verkleideter Mann gesucht, der fünf Kindern im Alter von sieben bis 13 Jahren an einer Straßenunterführung auflauerte und sie mit dem Messer bedrohte. Die Polizei appelliert an "alle möglichen Nachahmer", das "leidige Horrorclown-Phänomen" nicht fortzusetzen: "Das ist überhaupt nicht lustig und erst recht kein Spaß!" Clown-Legende Rolf Knie ruft die Pappnasen-Gewalttäter zur Mäßigung auf: "Sie sollen sich darauf besinnen, was der Name Clown bedeutet. Es heißt, den Menschen Freude zu bereiten und sie zum Lachen bringen."

Auch Stephen King, der mit seinem betont unwitzigen Buch "Es" maßgeblich zum Imageschaden der Clowns beigetragen hat, setzt sich angesichts der Bedrohung für die Spaßmacher ein. "Hey Leute, Zeit, die Clown-Hysterie etwas herunterzufahren", forderte der Schriftsteller auf Facebook. "Die meisten von ihnen sind gut und dazu da, Kinder aufzuheitern und Leuten Spaß zu bereiten." Und das war ausnahmsweise gar nicht zynisch gemeint.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: