Wolfratshausen:Zwischen Tanzen und Weinen

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Duo in Hochform: Sebastian Horn (links) und Gerd Baumann. (Foto: Pöstges)

Die Band "Dreiviertelblut" gibt am Flussfestival ein aufregendes Konzert.

Von Petra Schneider, Wolfratshausen

Wenn man an einem warmen Sommerabend, der nach Reggae und Rum schreit, an der Loisach sitzt und Lieder vom Sterben hört, vom Wurm, der an den Gebeinen nagt, dann passt das ungefähr so gut zusammen, wie zwei bärtige Männer im Dirndl. Das Dirndl, mit dem sie auf dem Cover ihrer CD "Dreiviertelblut" posieren, haben Sebastian Horn und Gerd Baumann am Dienstagabend im Schrank gelassen.

Ihre "Lieder vom Unterholz" spielen die Dreiviertelblutsbrüder dafür auf der Flussbühne aufgehübscht mit diversen Instrumenten und grandiosen Musikern: Florian Rein (Schlagzeug), Dominik Glöbl (Trompete), Stefan Schreiber (Saxofon), Benjamin Schäfer (Kontrabass), Andreas Unterreiner (Trompete) und der großartige Luke Cyrus Goetze (E-Gitarre, Lapsteel), der auch in der Band von Claudia Koreck spielt.

Wer Lieder vom Unterholz singt, muss den Kopf gesenkt halten und sitzen, soviel ist klar. Und wer so schwerblütige Stücke wie "Himmeblau", "Amoi", "Woana" oder "Wann i dann" hört, muss in eine melancholische Novemberstimmung verfallen, zumal, wenn pausenlos Nebelschwaden über die Bühne wabern. Falsch, denn "Dreiviertelblut" ist nicht nur düstere Seelenbeschau und Memento mori, sondern auch eine Feier des Lebens. Oft eingefangen im Dreivierteltakt und manchmal aufgemischt mit lässigem Desperado-Sound, so cool wie ein Tarantino-Western.

Vor allem die atemlosen Tanzlieder "Deifedanz" und "Gemma Hoam", die Baumann mit Balkan-Feuer würzt, sind phantastisch: Sie steigern sich ekstatisch, schneller und immer schneller, aufgepeitscht durch fiebrige Saxofon-, E-Gitarren und Trompetensoli. Auch "Welturaufführungen" gibt es am Dienstag: Lieder der zweiten CD, die gerade entsteht und die, nach den Kostproben zu urteilen, musikalisch vielschichtiger wird und sich weniger an Walzer oder Zwiefachem orientiert.

Der Bananfishbones-Frontman Horn und der Filmmusik- und Nockherberg-Komponist Baumann haben sich bei der Arbeit an der Filmmusik zum Niederbayernkrimi "Sau Nummer 4" kennen gelernt. Vor eineinhalb Jahren wurden ihre Lieder vom Unterholz veröffentlicht. Viele der gut 350 Zuhörer erkennen ein Lied schon nach den ersten Takten, singen Refrains, etwa des Favoriten "Paradies", und springen bei den Tanzliedern von den Sitzen auf, dass die Tribüne wackelt.

Auch die Ballade vom "Heiglkopf" über das Hakenkreuz am Berg und die NS-Zeit im Isarwinkel, die Horn eindringlich vorträgt, wird im Publikum begeistert beklatscht. Die Sonne scheint und geht unter, es ist zum Tanzen und zum Weinen, ein Abend zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Aufregend wie das Leben.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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