Wolfratshausen:Was man nüchtern niemals tun würde

Lesezeit: 2 min

Richter verurteilt einen jungen Mann wegen einer Attacke mit einer zerbrochenen Flasche zu Arrest und Alkoholverbot

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Als die beiden Polizeibeamten am 16. April dieses Jahres zum Tölzer Bahnhof kamen, stand dort bereits ein Krankenwagen. Scherben lagen auf dem Boden und Sanitäter verarzteten einen jungen Mann, der Verletzungen am Knie und an der Hand erlitten hatte. Der Notruf hatte die Polizisten über die 112 erreicht - wer ihn abgesetzt hatte, ließ sich nicht mehr sagen. Der junge Mann, 19 Jahre alt und aus Lenggries, war aufgebracht, sollte ein Polizist später vor Gericht schildern: Wütend erzählte er - auf die Scherben deutend - von einem Streit mit zerbrochenen Bierflaschen, und davon, dass er attackiert worden sei.

Dass dies nur die halbe Wahrheit war, hat das Amtsgericht Wolfratshausen am Dienstag in einer vierstündigen Verhandlung herausgearbeitet. Der junge Mann hatte die zerbrochene Flasche selbst geschwungen - und sich damit der versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. 32 Sozialstunden, Freizeitarrest und eine einjährige Alkoholsperre: So lautete das Urteil des Gerichts, das wegen der Lebensumstände des jungen Mannes und seines Alters nach dem Jugendstrafrecht richtete. Den Freizeitarrest soll er an einem Wochenende in München absitzen - als erzieherische Maßnahme, die die Jugendgerichtshilfe anregte.

Der Polizeibeamte, vier Zeugen und der Geschädigte gaben eine ziemlich konkrete Vorstellung von den Vorgängen jenes Aprilabends, trotzdem blieb das Bild am Ende unvollständig. Fest stand: Zwei Gruppen junger Männer hatten sich am Bahnhof in Lenggries zufällig getroffen, waren im Verlauf der Zugfahrt verbal aneinander geraten und am Zielbahnhof in Bad Tölz handgreiflich geworden. Der Angeklagte griff zur Bierflasche, zerbrach sie an einer Metallbank, wobei er den Flaschenhals gepackt hielt, und ging mit seiner Waffe auf einen anderen jungen Mann los, der sich ebenfalls auf diese Weise mit einer zerbrochenen Flasche bewaffnet hatte. Die Sache hätte schlimm, sogar tödlich ausgehen können, sagte Richter Urs Wäckerlin nach dem Urteilsspruch: "Es reicht aus, dass eine bestimmte Blutader getroffen wird." So weit kam es jedoch nicht. Die Freunde der Kontrahenten trennten diese. Der Geschädigte erlitt Verletzungen am Finger und an der Lippe. Dass diese jedoch von der Flasche des Angreifers stammten, konnte nach Auffassung des Gerichts nicht bewiesen werden.

Losgegangen war alles in Lenggries, wo die beiden jungen Männer mit ihren Freunden voneinander unabhängig auf den Zug nach Bad Tölz warteten. Der Geschädigte und einer seiner Freunde berichteten vor Gericht, sie hätten aus Richtung der Gruppe rund um den Angeklagten gehört, wie eine Flasche zerbrochen sei. Im Zug habe er den Angeklagten daher gefragt, warum er öffentlich Flaschen zerbreche und zudem betrunken sei. Es folgte ein Wortwechsel, derbe Beleidigungen flogen hin und her, Mütter und Väter wurden übel beleidigt - bis der Konflikt am Tölzer Bahnhof eskalierte. Der junge Mann, der sich vor Gericht verantworten musste, hatte zu diesem Zeitpunkt 1,5 Promille Alkohol im Blut, sein Kontrahent 0,5 Promille. Letzterer machte sich mit seinem Freund zunächst davon. Doch als die Polizei eintraf, kehrten sie zurück, um ihre Aussagen aufnehmen zu lassen.

Richter Wäckerlin ermahnte den Angeklagten zu mehr Achtsamkeit: "Jeder weiß, dass man betrunken Dinge tut, die man nüchtern niemals tun würde", gab er zu bedenken.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: