Wolfratshausen:Verausgabt bis zur Ekstase

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Edwin Kimmler zeigt im D'Amato die Bandbreite seines Könnens

Von Barbara Briessmann, Wolfratshausen

Edwin Kimmler reißt sein Publikum mit. Der Musiker versteht es, den Spannungsbogen bis zum Schluss des Konzerts im D'Amato in Wolfratshausen ganz hoch zu halten. Von Nummer zu Nummer, von Song zu Song, steigert er sich. Am Ende hat er erreicht, was er sich von seinen Zuhörern erhofft: Ekstase. Der Vollblutmusiker hat am Freitag alles dafür gegeben und oft vergessen gemacht, dass da ein Mann ganz allein auf der Bühne steht - wenn auch mit mehreren Gitarren, Mundharmonika und E-Piano. Sympathisch, humorvoll, unprätentiös und voller Energie präsentiert der Landshuter Blues, Soul, Swing, Rock, Boogie und Calypso.

"Leute wie ich werden nie im Fernsehen sein", sagt Kimmler zu Beginn in Anspielung auf den Hype um vermeintliche Stars, die schnell wieder von der Bildfläche verschwunden sind. "Ein bissl stolz" sei er aber schon, dass er 3000 Konzerte gespielt habe und seit bald 40 Jahre auf der Bühne stehe, sagt der 54-Jährige.

Mit Blues steigt er ein, gespielt auf einer National-Steel-Guitar. Mit "Dead Cats on the Line" beweist er sein Können auf der Gitarre, die er mit einem Bottle-Neck spielt. "Das Lied macht mir unglaublich Spaß", kündigt er den nächsten swingenden Titel an: "That's the Glory of Love" von Big Bill Broonzy. Ein Paar hält es nicht mehr auf den Stühlen, jetzt wird getanzt im D'Amato. "Die Fans reisen mir teilweise zu Auftritten hinterher", sagt Kimmler später. "Und sie wünschen sich jedes Mal eine kleine Tanzfläche." Als Künstler müsse man Abwechslung bringen, sagt der Alleinunterhalter und greift zur Mundharmonika. Das Stück sei eigentlich für eine Band gemacht. "Ich werde mich mit euch ekstatisch steigern, wenn ihr beim Groove mitgeht." Und wie das Publikum mitgeht. Es wird geklatscht. Und wieder ist schnell vergessen, dass da ein Mann alleine Stimmung macht.

Mit dem nächsten Stück gibt der Künstler den Zuhörern ein Rätsel auf: "Ich würde mir wünschen, dass ich's selber geschrieben hätte, da wäre ich saniert." Doch was ist es? Kimmler spielt Themen an, variiert, improvisiert. "Wish you Were Here" vermutet so mancher Gast. Weit gefehlt. Die Auflösung bringt Erleichterung. "Ain't no Sunshine" von Bill Withers steht aber erst fest, als der Gitarrist zu singen beginnt, mit nicht nur eigener, sondern auch eingängiger Stimme. Das sei seine erste LP gewesen, die seine Jugendzeit begleitet habe und damals zehn Mark teuer war.

Auf der zwölfsaitigen Gitarre spielt Kimmler dann seine Eigenkomposition "Daemons", geschuldet den Zweifeln, die ihn immer vor einem Auftritt plagen. Sobald er auf der Bühne stehe, heiße es aber: "Dämonen tschüss, jetzt mach' ma Party." Hawaiianisch-amerikanisch geht es mit Swing weiter. Das Publikum ist restlos begeistert. "Ich nehme das ernst mit der Programmabfolge, wegen der Spannung", sagt der Landshuter.

Nach der Pause setzt sich Edwin Kimmler ans E-Piano und haut in die Tasten. Überragender Boogie-Woogie. Der Musiker verausgabt sich, ob bei "Let me Stay a Little bit Longer" oder "Tequila". Es folgt Ragtime, dann mit Mundharmonika, Stimme und unterstützt vom Applaus, ein Song von John Lee Hooker. Inzwischen hält es keinen mehr auf dem Stuhl. Frenetisch gefeiert geht es für Kimmler in den Schlussspurt: "Hit the Road, Jack" gefolgt von einem traditionellen, überlieferten Stück "Book of the Seven Seals". Der Künstler ist nach über zwei Stunden Auftritt erschöpft, aber glücklich. Die etwas mehr als 30 Gäste verabschieden sich persönlich bei dem Musiker und bedanken sich für den schönen Abend.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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