Wolfratshausen:Unterm alten Apfelbaum

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Es muss nicht immer Granny Smith sein: Das Freilichtmuseum Glentleiten zeigt Goldparmäne und Winterkalvill - heute längst vergessene Sorten

Von Alexandra Vecchiato

Apfelsaft, Obstkuchen, Dörrfrüchte, Strudel - das Wasser könnte einem im Mund zusammenlaufen. Es ist Erntezeit und darum dreht sich an diesem Wochenende im Freilichtmuseum Glentleiten alles rund ums Obst - vor allem historische Apfel- und Birnensorten. Denn die Natur schenkt nicht nur Golden Delicious und Granny Smith: Goldparmäne, Roter Herbstkalvill oder den Winterrambour sind längst vergessene Äpfel, über die Experten am Samstag und Sonntag informieren. Einige stellen wir hier vor.

150 Obstbäume wachsen verteilt auf dem Gelände des Freilichtmuseums Glentleiten. Um sie kümmert sich Gärtnermeister Peter Miller gemeinsam mit seinem Team. Leicht machen es ihnen Wetter und Boden auf 850 Meter Höhe nicht. Nur 20 Zentimeter Humus, dann wasserundurchlässiger Lehm - "ein sehr kalter Boden", sagt Miller. Und das mögen Äpfel ganz und gar nicht. Ebenso wie die Williamsbirne, die ein eher trauriger Anblick ist. Sie mag es kuschelig. Das laue Lüftchen am Bodensee, das ist das Richtige. Wegen der klimatischen Verhältnisse und Resistenzen gegen Krankheiten plädiert Miller dafür, auch moderne Züchtungen aufzunehmen.

Das Freilichtmuseum Glentleiten zeigt mehr als 50 Apfelsorten. (Foto: Georgine Treybal)

Besonders heutzutage, wo Selbstversorgung wieder groß im Kommen ist, doch die Gärten nun einmal klein sind, gebe es interessante Neuzüchtungen wie die sogenannten Ballerinas. Das sind Säulenobstbäume, die im Trog sogar auf dem Balkon Platz finden. Auch Apfelbäume, die auf schwach wachsenden Unterlagen veredelt wurden, sind eine gute Alternative.

Hübsch anzusehen und ebenfalls platzsparend sind Spaliere. Auch solche zeigt das Freilichtmuseum an den Obsttagen. Eine Baumschule aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen hat Bäume unterschiedlicher Sorten und Wuchsformen als Anschauungsmaterial zur Verfügung gestellt. Peter Miller rät beim Spalier dazu, dass die Äste möglichst waagrecht gezogen sein sollten. Denn, vereinfacht gesagt, lässt man den Baum senkrecht wachsen, denkt er gar nicht daran, Früchte zu tragen. Er wächst und wächst, bildet Blätter, bis er irgendwann einmal auf die Idee kommt: Jetzt wäre es an der Zeit, sich fortzupflanzen. Erst dann bildet er Früchte. Und das kann viele Jahre dauern. Erzieht der Gärtner die Äste seines Obstbaums dazu, waagrecht zu wachsen, dann gibt es viel früher Früchte - egal ob Apfel, Birne oder anderes.

Das Spalier hatte aber auch eine klimatische Funktion für das Haus, weiß Ariane Weidlich, zuständig fürs Sachgebiet Historisches Bauen. Es schützte die Fassade. Das Freilichtmuseum Glentleiten zeigt nicht nur Gebäude aus dem ländlichen Raum, das Museumsteam bemüht sich auch, die ursprüngliche Bepflanzung rund um die Häuser an ihrem alten Standort an der Glentleiten nachzubilden. Manchmal kann ein Haus wegen des hügeligen Geländes nicht mehr genauso aufgebaut werden, wie es einst dastand. Das kann auch Auswirkungen auf die Bepflanzung haben. Miller zeigt als Beispiel ein Spalier, das eben nicht mehr an einer Sonnenwand gedeiht, sondern dem Schatten trotzen muss. Nach vielen Jahren habe es endlich Fuß gefasst, erzählt Miller. Ein Gärtner braucht oft Geduld.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Goldparmäne: Im Mittelalter bekannt. Eine der besten Befruchtersorten. Besticht durch saftiges Aroma und wenig Säure.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Baumanns Rote Winterrenette: Auffällig durch ihr variables Wachstum. Die Würze erinnert an das alte Heilkraut Alant.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Roter Herbstkalvill: Sehr alte Sorte. Große Frucht, hoch gebaut und gerippt. Schwacher Geruch, harmonische Säure.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Gelber Edelapfel: Der Sämling wurde um 1800 in England gefunden. Wertvoller Tafelapfel. Zartes Aroma, viel Vitamin C.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Gewürzluikenapfel: Marmorierte bis gestreifte Schale. Ausgeprägter Geruch. Aromatische Frucht.

Für Besitzer alter Obstbäume dürfte der Sonntagnachmittag interessant werden. Ein bekannter Obstkundler, der Pomologe Anton Klaus vom Bodensee, bestimmt mitgebrachte Äpfel und Birnen. Drei bis vier Stück können Besucher mitbringen, samt Stil. Ihm zur Seite steht ein Apfelfachmann vom Gartenbauverein Großweil. Vielleicht erkennt der ein oder andere auch Apfelsorten aus seiner Kindheit. 50 bis 60 Sorten werden gezeigt: Teils hat Peter Miller die Früchte vom Lehr- und Beispielbetrieb für Obstanbau in Deutenkofen geholt, teils steuert der Gartenbauverein Großweil historische Apfelsorten bei, teils wachsen die Früchte auf dem Museumsgelände. Mehr als 300 Sorten gebe es in der Region, die gut gedeihten, sagt Miller.

Eine der ältesten Apfelsorten ist die Goldparmäne (1205), die im Jahr 1800 vermutlich aus der Normandie nach Deutschland kam. Daneben gibt es Roten Herbstkalvill, den Gewürzluikenapfel oder den Winterrambour. Kleine, große, rote, grüne, gelbe - die Vielfalt ist enorm. Die neuen Sorten werden vertreten durch Gloster, Elstar, Pilot, Pinova oder Rubinette. Auf dem Tisch nebenan eifern Greencat, Suncat und Redcat um die Wette. "Die haben ein schönes, angenehmes Fruchtaroma", berichtet Miller.

Sein Favorit unter den Birnen: die Conferencebirne. Sie trage immer, habe feste schöne Früchte, die allerdings nur "ein bisserl lagerfähig" seien. Schwärmen kann er auch über Hauszwetschgen, die Wangenheimer Frühzwetschge oder die Schönberger Zwetschge. Alle drei Sorten wachsen auf der Glentleiten. Und im Herbst wird aus den Früchten in der museumseigenen Brennerei Schnaps gebrannt. "Das machen wir seit zwölf Jahren."

Wie Dörrobst, schonend hergestellt, wirklich schmeckt, davon können sich die Besucher an den Obsttagen ebenfalls überzeugen. Seit Tagen raucht es aus dem Dörr- und Backhäuschen, datiert von 1893, das einst in Osterhofen stand und zum Hof von Franz und Barbara Jochner gehörte. So ein Ensemble noch zu finden, sei ein Glücksfall, sagt Ariane Weidlich. Maximal 50 Grad dürfen die Obstschnitze ausgesetzt sein, sonst gehen die Vitamine verloren. Eher weniger Hitze erzeugt das Dörrhäuschen, aus dem es wunderbar duftet. Zwetschgen, Äpfel, Birnen trocknen langsam vor sich hin. 240 halbe Zwetschgen ergeben frisch zwei Lagen. Bereits am nächsten Tag sind sie auf eine Lage zusammengeschrumpft. Die Feuchte der Früchte muss mindestens auf 20 Prozent reduziert werden, damit das Obst lagerfähig ist und nicht schimmelt. Peter Miller greift schon mal zu. "Schön warm und süß", meint er. Die Besucher können sich davon am Wochenende überzeugen. Denn nicht nur Dörrobst wird angeboten, im Kramerladen und der Museumsgaststätte locken Bavesen, Apfelstrudel und Obstkuchen.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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