Wolfratshausen:Umjubelte My Fair Lady

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Professor Henry Higgins (Harald Wurmsdobler, Mitte) spricht das Blumenmädchen Eliza Doolittle (Monika Lachenmeir, 2.v.l.) auf dem Markt an. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Dem Freien Landestheater Bayern gelingt in der ausverkauften Loisachhalle eine stimmige Aufführung des Musical-Klassikers im bairischen Dialekt

Von Reinhard Szyszka, Wolfratshausen

"Es grünt so grün", "Ich hätt' getanzt heut Nacht" - wer kennt sie nicht, die unverwüstlichen Ohrwürmer aus "My Fair Lady". Seit der Uraufführung 1956 ist das Erfolgsmusical von Frederick Loewe ein Kassenmagnet und garantiert immer ein volles Haus. So auch in Wolfratshausen, wo das "Freie Landestheater Bayern" das Stück am Freitag auf die Bühne der Loisachhalle brachte. Obgleich es im Vorfeld nur wenig Werbung gegeben hatte, war die Halle ausverkauft.

Schon beim ersten Blick in Richtung Bühne, noch bevor die Musik einsetzte, wurde man optisch auf London eingestimmt. Links vor dem Vorhang war nämlich eine hölzerne Nachbildung des Big Ben aufgestellt, die bestens mit der Vertäfelung des Orchestergrabens harmonierte. Dem Big Ben sollte im Verlauf des Stücks eine besondere Bedeutung zukommen, denn zwischen den Szenen erschien jedes Mal eine Frau, die die Zeiger drehte. Eine hübsche Idee, das Vergehen der Zeit zu veranschaulichen!

Die Aufführung des Musicals basierte auf einer Inszenierung aus dem Jahr 2009. Elisabeth Neuhäusler, die in der Premiere noch die Eliza gespielt hatte, war diesmal in der Nebenrolle der Mrs. Eynsford-Hill zu sehen. Der Dirigent Rudolf Maier-Kleeblatt hingegen, der auch die Premiere dirigiert hatte, stand wieder am Pult. Schwungvoll-spritzig, dabei präzise und klar leitete er das Orchester, das schon in der Ouvertüre seine Qualitäten zeigte. Dem Chor kamen ebenfalls wichtige Aufgaben zu, musste er doch nicht nur singen, sondern auch tanzen. Köstlich die abgezirkelten, völlig synchronen Bewegungen sämtlicher Choristen in der Ascot-Szene! Die Steifheit der feinen Gesellschaft kann man kaum wirkungsvoller auf die Schippe nehmen.

Doch nicht genug mit Singen und Tanzen: Die Chorleute waren auch als Bühnenarbeiter gefordert. Sämtliche Szenenumbauten fanden bei offenem Vorhang statt. Zwei Säulen mit wechselnden Ummantelungen dienten als Fixpunkte, die sich ebenso zum Marktplatz wie zur Pferderennbahn oder zum Ballsaal umgestalten ließen. In den meisten Szenen jedoch gliederten die Säulen das Haus des Professor Higgins mit überdimensionalen Büchern und einem gigantischen Lautsprecher im altertümlichen Hörrohr-Format.

Jedes Stück, bei dem wie bei diesem Dialekte eine wichtige Rolle spielen, wirft bei der Übersetzung in eine andere Sprache Probleme auf. Hier hatte man sich entschieden, das Cockney des englischen Originals durch breitestes Bairisch zu ersetzen. Das irritiert zunächst, wenn die Urbayern englische Namen tragen und der Professor ihnen die Herkunft aus diversen Londoner Stadtvierteln attestiert. Doch letztlich ist es eine passable Lösung. Bei Eliza hingegen wirkte der Dialekt manchmal überzeichnet, besonders in den Unterrichtsszenen. Der plötzliche Übergang zum Hochdeutschen war da nicht so recht nachvollziehbar.

Musikalisch war die Inszenierung ganz auf die beiden Hauptrollen Eliza Doolittle und Henry Higgins zugeschnitten; allenfalls Elizas Vater (Alfred Hörmayer) durfte sich gesanglich noch etwas hervortun. Das Lied des verliebten Freddy (Philipp Gaiser) "In der Straße, mein Schatz, wo du lebst" wurde nur instrumental im Orchester angedeutet, ansonsten war es dem Rotstift zum Opfer gefallen.

Harald Wurmsdobler als Professor Henry Higgins wirkte recht jung für seine Rolle. Er sang sehr akkurat, sehr sprachbetont, mehr Sprechgesang als Belcanto, was zu dem Sprach-Fanatiker Higgins natürlich hervorragend passt. Gesanglich wie auch darstellerisch lief er in der Schlussszene zur Hochform auf. Monika Lachenmeir als Eliza Doolittle war eine hervorragende Schauspielerin, die die Entwicklung der Figur vom Blumenmädchen zur Lady in allen Phasen glaubwürdig darstellte. Ihre Singstimme war gut geführt, hatte jedoch eine Tendenz zum Nasalen, leicht Gutturalen, besonders in der tieferen Lage. Am besten gelangen ihr die leisen Töne, die Reminiszenzen an vorhergegangene Lieder wie "Wart's nur ab, Henry Higgins" oder "Ach wäre das nicht wunderschön". Doch trotz dieser kleinen Einschränkung wurde sie - wie das ganze Ensemble - zu Recht vom Publikum bejubelt.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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