Wolfratshausen:Ton für Ton

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Christine Schornsheim (l.) und Kristin von der Goltz (r.) beim "historisch informierten Musizieren". (Foto: Hartmut Pöstges)

Kurzweil mit Hammerflügel und Cello

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Wolfratshausen

Der Anblick hatte etwas ehrwürdig Museales. Da stand in der Loisachhalle ein Instrument aus hellem Holz, halb so schmal wie ein Konzertflügel, mit grazilen Beinen. Ein sogenannter Hammerflügel von 1813, so, wie ihn der Komponist Ludwig van Beethoven kannte. Um ihn drehte sich das ganz und gar nicht museale Programm, das die zwei Originalklang-Koryphäen Christine Schornsheim und Kristin von der Goltz zu ihrem Konzert im Rahmen von "Klassik pur" im Isartal mitgebracht hatten.

Schon der Auftakt mit der "Grand Sonate pour Pianoforte et Violoncelle" op. 11 von Helene Liebmann demonstrierte eindrucksvoll, wie viel geringer das Klangvolumen eines Hammerflügels gegenüber dem eines heutigen Konzertflügels ist. Die Schülerin des Komponisten Ferdinand Ries, der wiederum in seiner Wiener Zeit nah in Kontakt war mit Beethoven und später dessen Biograf wurde, bezieht sich in ihrer Komposition auf Musik von Mozart.

Das manifestierte sich vor allem im letzten der drei Sätze, einem Variationszyklus zu dem Arienthema "Reich mir die Hand, mein Leben" aus der Oper Don Giovanni. Ausdrucksstark und transparent meisterten Schornsheim am Hammerklavier und Kristin von der Goltz auf ihrem Barockcello das grazile, filigrane Werk. Vor allem löste sich bei den beiden Interpretinnen die akademisch anmutende Bezeichnung "historisch informiertes Musizieren" unmittelbar in sinnlich wahrnehmbare Erfahrung auf. Ton für Ton waren die Melodielinien der beiden Musikerinnen durchgestaltet. Christine Schornsheim, Leiterin des Instituts für historische Aufführungspraxis an der Münchner Musikhochschule, agierte brillant an den Tasten ihres schmucken Flügels, Kristin von der Goltz, mit viel Erfahrung als ehemaliges Mitglied des Freiburger Barockorchesters, beeindruckte mit einer federnden Bogentechnik, die obertonreiche Klänge hervorrief.

Ebenso souverän wie im Duett mit der Musik von Liebmann agierte Schornsheim anschließend in der zweiten Fantasie für Klavier op. 77 von Ferdinand Ries. Auch dieses ein Stück über ein Thema von Mozart. Aber jetzt war es der Hammerflügel al-lein, den man bewundern konnte. Erst aus der Ferne, danach in der Pause.

Großartig, wie das Instrument von den Zuhörern der gut besuchten Loisachhalle umringt wurde, während der Stimmer die perfekte Intonation der zweiten Programmhälfte vorbereitete. Anders als beim heutigen Flügel, in dessen Innerem ein eiserner Gussrahmen bewirkt, dass die Saiten über längere Zeit die Spannung halten und sich nicht verstimmen, ist der historische Hammerflügel anfällig dafür, seine Intonation zu verlieren. In Interviews zieht die Originalklangmeisterin Christine Schornsheim, was die Entwicklung der Tasteninstrumente angeht, gerne den Vergleich zur Entwicklung der Mobilität. Dem Cembalo aus Bachs Zeiten ordnet sie danach das Fahrrad zu, dem Hammerflügel das Rennrad und dem heutigen modernen Konzertflügel das Zwölfzylinder-Auto. Dazwischen liegt bei ihr der Kleinwagen, der etwa der Weiterentwicklung des Hammerflügels zum gusseisernen Flügel der Schumannzeit entspricht.

Nach der Pause standen beim Konzert in der Loisachhalle zwei Werke Beethovens auf dem Programm. Zunächst ging es um die sieben Variationen über das Thema "Bei Männern, welche Liebe fühlen". Ein Liebesduett aus der Zauberflöte, das die beiden Interpretinnen lebendig werden ließen. Bei Schornsheim und von der Goltz wurde historisch informiertes Spiel zu einer höchst affektreichen Angelegenheit, die nie aus dem dramaturgischen Rahmen geriet, fein abgestimmt, sich gegeneinander die Motive wie Bälle zuwerfend.

Wieder ganz anders formten die beiden Beethovens abschließende Sonate für Klavier und Violoncello in g-Moll op. 5 Nr. 2. Nun präsentierten sie keine Opernmusik, sondern reine Instrumentalmusik, bei der sie aber die typischen Elemente beethovenscher Kompositionskunst herausarbeiteten. Zarte, flächige Pianopassagen wechselten mit rasant ausbrechenden Läufen, plötzliche Forti beruhigten sich in abflauenden, zurückhaltenden Motiven. Ein kurzweiliger Abend, dem nach begeistertem Bravo als Zugabe noch ein "Lied ohne Worte" von Felix Mendelssohn-Bartholdy folgte.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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