Wolfratshausen:"Talente, von denen keiner wusste"

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Notenstress ist das eine. "Die kleine Hexe" etwas ganz anderes. Annika Tepelmann und viele engagierte Eltern ermöglichen 23 Münsinger Kindern eine nahezu magische Erfahrung

interview Von Stephanie Schwaderer

Wenn an diesem Donnerstag "Die kleine Hexe" von Otfried Preußler in Münsing aufgeführt wird, stehen die Profis nicht auf der Bühne, sondern dahinter: Drei Berufsmusiker, eine Autorin, ein international renommierter Künstler und viele engagierte Eltern ermöglichen das Projekt, bei dem sich 23 Viertklässler der Münsinger Grundschule einmal von einer ganz anderen Seite zeigen dürfen. Zu den treibenden Kräften zählt die Drehbuchautorin Annika Tepelmann aus Weipertshausen.

SZ: Hand aufs Herz: Wer hat an der Sache mehr Spaß, die Kinder oder die Eltern?

Annika Tepelmann: Die Kinder. Für die Eltern, ist es schon eher anstrengend, wir machen das ja ehrenamtlich und außerhalb der Schule. Aber es ist schön zu sehen, mit welcher Freude und Lebendigkeit alle dabei sind.

Sie haben nur eine öffentliche Vorstellung geplant, aber die Namensliste der involvierten Erwachsenen ist beeindruckend. Haben Sie alle Kinder an der Münsinger Schule?

Hexenspezialistinnen: Caro Reigl (links) und Annika Tepelmann haben das Theaterstück mit Münsinger Kindern initiiert und führen gemeinsam Regie. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die drei Musiker nicht, das sind Freunde von meinem Mann und mir. Der Pianist Leopold Heller ist der Klavierlehrer unserer Tochter. Er hat die Musik zum Theaterstück komponiert und lebt ebenso wie der Percussionist Martin Ruhland auch in Weipertshausen. Florian Schuster ist Geiger am Staatstheater am Gärtnerplatz und hat sich ebenfalls spontan bereit erklärt, an diesem Projekt mitzuwirken.

Von wem ging die Initiative aus?

Von einem Mädchen, Clara Reigl, das mit meiner Tochter in die Klasse geht. Clara hat gesagt, dass sie auch einmal Theater spielen wolle. Ihre Mutter, Caro Reigl, ist Lehrerin am Ickinger Gymnasium und hat einige Erfahrung mit Theaterprojekten. Also haben wir beide die Sache in die Hand genommen.

War es schwer, die Kinder zu begeistern? Viertklässler haben ja mit der Schule und dem Übertrittsstress oft schon genug zu tun.

Wir haben natürlich von Anfang an gesagt, dass das Ganze freiwillig ist. Vor allem die Jungs haben zunächst abgeblockt, nach dem Motto: Theater ist blöd. Also haben wir erzählt, welch interessante Männerrollen es in diesem Stück gibt: den bösen Förster, zum Beispiel, oder den Hauptmann, und als es dann an die Rollenverteilung ging, flogen die Finger nur so hoch.

Die Kinder üben den Hexentanz. (Foto: Hartmut Pöstges)

Sie haben tatsächlich die gesamte Klasse zum Mitmachen bewegen können?

Ja, alle spielen mit! Was mich besonders freut: Kinder, die zuerst gar nichts davon hören wollten, sind nun besonders engagiert. Manche haben nur eine kleinere Rolle und beteiligen sich dafür umso eifriger hinter der Bühne oder am Bühnenbild. Dabei stellen sie Talente unter Beweis, von denen bislang keiner etwas wusste.

Für das Bühnenbild ist Ihr Mann, der Künstler Herbert Nauderer, verantwortlich, der vor allem für seine Visionen vom maskierten "Mausmann" bekannt ist. War er froh, zur Abwechslung einmal etwas Heiteres machen zu dürfen?

Da würde er jetzt widersprechen. Sie sollten ihn mal im Atelier erleben! Er hat viel Spaß an seiner Arbeit und kann über seine Kunst auch herzhaft lachen - auch wenn sie für viele Betrachter eher düster ist. Das Bühnenbild war für ihn natürlich etwas ganz anderes. Alles ist sehr kindlich und einfach gemacht, das Hexenhaus, der Wald. Wir haben ja nicht viele technische Möglichkeiten. Die Bäume, zum Beispiel, haben wir aus Karton ausgeschnitten. Und dahinter stellen sich Kinder mit Zweigen in den Händen. Wenn die kleine Hexe den Sturm aufkommen lässt, wedeln sie damit und werfen sie ab.

Die Profi-Musiker Leopold Heller (links) und Florian Schuster spielen live zum Hexentanz. (Foto: Hartmut Pöstges)

Eine schöne Idee.

Ja, wir müssen uns mit einfachen Mitteln behelfen. Die Hauptdarstellerin war zwar ein bisschen enttäuscht, dass sie nicht auf ihrem Besen einfliegen kann, aber das bekommen wir leider nicht hin.

Wer spielt die Hauptrollen?

Lilith Danhuber ist die kleine Hexe, Kilian Gampl der Rabe Abraxas. Beide haben viel Text und machen ihre Sache richtig gut. Aber ich habe den Eindruck, dass alle Kinder mit ihren Rollen zufrieden sind. Meine Tochter Lucia ist die Muhme Rumpumpel, und Clara spielt, wie einige andere Kinder auch, gleich mehrere Rollen: das Blumenmädchen, eine Hexe und den Thomas, dessen Ochse geschlachtet werden soll.

Münsing ist eine sehr heterogene Gemeinde. Wie kommen die Eltern bei diesem Projekt miteinander zurecht?

Das Schöne ist: Die Grenzen fallen. Viele Eltern haben spontan ihre Hilfe angeboten und einfach mitgemacht: Papierblumen basteln, Hexenbesen binden, Kostüme nähen. Ein Vater kümmert sich um die Ton- und Lichttechnik. Es gibt unglaublich hilfsbereite und großzügige Bauernfamilien, die uns alle Materialien gestellt und die Zweige gebracht haben. Gerade die Leute, die daheim schon hart arbeiten müssen, packen richtig mit an.

Woran schreiben Sie gerade , wenn Sie nicht bei den Proben sind?

An einer Thriller-Serie für Sat 1, eine Auftragsarbeit, bei der es um die schrecklichsten Dinge geht, die man sich vorstellen kann. Und vom Serienmörder schalte ich dann immer wieder zur kleinen Hexe um. Das ist schon ein Kontrastprogramm.

Was haben Sie bei diesem Projekt gelernt?

Wie zeitaufwendig so ein Theaterstück ist, aber auch wie viel Spaß es macht: Die Direktheit und die Lebendigkeit der Kinder - das ist toll. Auch der Klassengemeinschaft hat das noch einmal richtig gut getan. Gymnasium oder Mittelschule, reich oder arm - all diese Kriterien spielen plötzlich keine Rolle mehr. Ein Junge, der sich in der Schule schwer tut, hat sich als irrsinnig geschickt erwiesen. Der wird plötzlich von allen mit ganz anderen Augen angeschaut.

"Die kleine Hexe" nach dem Buch von Otfried Preußler, Donnerstag, 21. Mai, 19 Uhr, Gemeindesaal Münsing

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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