Wolfratshausen:Der Herr der Ringe in Beton

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William, Nouri und Korbinian schlagen in der Bibliothek ihre gewichtigen Betonbücher auf. (Foto: Hartmut Pöstges)

Gesägt, gebohrt, getropft: In der Schule der Phantasie sind auf vielfältigste Art Bücher entstanden. Die Stadtbücherei zeigt sie in einer Ausstellung

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Die Stadtbibliothek ist gut sortiert, aber solche Bücher hat dort noch keiner in die Hände bekommen: Einen schweren Schinken, zum Beispiel, der aus einem einzigen geschnitzten Buchdeckel besteht, oder einen Landschaftsatlas, in dem bunte Pop-up-Karten aufklappen. Es gibt Werke mit Einbänden aus Legosteinen, Gips oder Wachs, in denen sich ungeahnte Geschichten verbergen - gemalt, gekratzt, collagiert. All diese Unikate sind in der Wolfratshauser Schule der Phantasie ("Klecks") entstanden. Bis 14. Juni sind sie unter dem Titel "Kunstbuch" in der Stadtbücherei zu sehen.

"Wer hat alles ein Buch gemacht?", fragt Schulleiterin Kerstin Vetter bei der Vernissage - und Dutzende Finger schnellen in die Höhe. Alle 21 Gruppen haben seit Wochen auf diese Ausstellung hingearbeitet: 160 Kinder und Jugendliche, auch einige Erwachsene - und jeder von ihnen auf seine ganz eigene Weise.

Der jüngste Teilnehmer, Florentin, ist zweieinhalb Jahre alt und wird bei der Vernissage von seiner Mama, Katharina Rudnik, und seinen drei großen Schwestern begleitet. Alle fünf sind überzeugte Klecks-Schulgänger. Florentin hat in der Mutter-Kind-Gruppe gesägt, gebohrt, getropft. Sein Holzleporello könnte aus einer alten Grabkammer stammen und empfängt zusammen mit weiteren archaisch anmutenden Faltbüchern den Besucher im Ausstellungsraum.

Ein paar Schritte weiter blättert Sophia, - "fünf Jahre, bald sechs" - in kunterbunten "Bibi und Tina"-Ausgaben. Kerstin Vetter hat sich von den Kindern ein Abenteuer der kleinen Hexe Bibi und ihrer Freundin erzählen lassen, es in wenigen Sätzen zusammengefasst und abgetippt. Einige Mädchen haben diese Geschichte, in der ein Fuchs und ein Kristall tragende Rollen spielen, nun originell illustriert - auch wenn Sophia mit einer abstrakt-dynamischen Zeichnung in Rot-Gelb-Schwarz nicht ganz zufrieden ist: "Das ist doch kein Fuchs!"

Ganz anderen Themen und Techniken haben sich Nouri und William zugewandt. Die beiden sind immerhin schon acht. "Der Herr der Ringe" steht in großen Lettern auf Nouris Wälzer, für den man beide Hände braucht, um ihn aufzuklappen, denn der Buchdeckel ist aus Beton. Das gleiche gilt für eine "Star-Wars"-Ausgabe. Zwar bricht die Geschichte nach einigen Seiten ab, dafür leuchtet dem Betrachter zum Abschluss ein eingeklebtes Laserschwert aus rotem Schaumstoff entgegen.

"Unsere Arbeit ist prozessorientiert, nicht ergebnisorientiert", sagt Vetter. Das sei der entscheidende Unterschied zur Schule, wie Kinder sie ansonsten erlebten. Vetter und ihre Kolleginnen geben Raum und Anregungen, erklären Techniken - und freuen sich, wenn Dinge entstehen, die ihnen selbst nie in den Sinn gekommen wären. So etwa das kleinste Buch der Ausstellung, das in einer Streichholzschachtel verwahrt wird. Aber auch dort erst einmal entdeckt werden will.

Stadtbücherei Wolfratshausen, Hammerschmiedweg 3, bis 14. Juni, Infos unter www.phantas.de

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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