Wolfratshausen:Cannabis im Kinderzimmer

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Mildes Urteil für 20-Jährigen vor dem Jugendgericht

Von Pia Ratzesberger, Wolfratshausen

Wäre das Rücklicht nicht kaputt gewesen, vielleicht hätte keiner die Cannabis-Pflanzen entdeckt. Getrocknete Blätter verstreut im Kinderzimmer, in Folien abgepackte Blüten, eine Chipsdose zur Bong umfunktioniert. All das fanden die Polizeibeamten nur, weil ihnen bei einer Kontrolle nahe Otterfing schon beim Öffnen der Autotüre der Geruch von Marihuana entgegenschlug - so beschreibt es die Polizistin am Donnerstag im Wolfratshauser Amtsgericht. Einem 20-Jährigen aus dem Landkreis wirft die Staatsanwaltschaft den Anbau und die Herstellung von Marihuana vor.

Der Angeklagte saß an jenem Tag im Herbst vergangenen Jahres, als die Polizei den Wagen anhielt, auf dem Beifahrersitz, am Steuer seine Mutter. Im Auto fand der Drogenspürhund drei Gramm Marihuana, die Mutter gab damals an, es sei das ihre. Später aber, bei der Hausdurchsuchung, beschlagnahmten die Beamten mehr als 80 Gramm Cannabis-Pflanzen, die zugehörigen Gerätschaften standen alle im Kinderzimmer. Dass er Cannabis angebaut hatte und daraus Marihuana gewinnen wollte, gab der 20-Jährige schon damals schließlich zu. Er hat gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen, das ist ob seines Geständnisses von Beginn an klar. Die Frage ist: Wie schwer ist das zu bestrafen?

Der junge Mann, dunkle Locken, am rechten Handgelenk ein Festivalbändchen, erzählt dem Richter, dass ihm die meisten seiner Pflanzen damals vertrocknet seien, das war "alles nicht so toll". Der Jugendrichter wiederum zitiert aus einem Gutachten des Landeskriminalamtes, das ergeben habe, dass aus den mehr als 80 Gramm Pflanzen gerade einmal etwa 2,2 Gramm reines THC zu gewinnen waren, "eine miese Qualität", sagt der Richter. Trotzdem aber führt die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer diese Menge als belastend an, das sei "nicht wenig". Weil der 20-Jährige im vergangenen Jahr schon in Berlin von der Polizei mit Marihuana aufgegriffen worden sei, forciert die Staatsanwaltschaft im Gegensatz zur Jugendgerichtshilfe Freizeitarrest.

Der Mann vom Jugendamt hatte zuvor Sozialdienst gefordert und an den Angeklagten appelliert: "Du willst doch im sozialen Bereich arbeiten, das verträgt sich mit Drogen nicht gut." Der 20-Jährige absolviert sein drittes soziales Jahr, ist als Schulbegleiter für Behinderte tätig. Eine Aufgabe, die seinem Verteidiger nach ehrenvoll sei und für ein milderes Strafmaß spreche: "Das ist ein Hardcore-Job." Der Junge leiste der Gesellschaft damit einen Dienst, deshalb dürfe man einen Heranwachsenden wie ihn mit einem Aufenthalt im Knast nicht brechen, dürfe ihn nicht verlieren, sagt der Verteidiger. Nach einer Strafe wie Freizeitarrest werde ein 20-jähriger sicher sagen: "Leckt mich alle am Arsch, no Future und das ganze Gequatsche." Außerdem müsse man dem Verteidiger zufolge bedenken, dass die Gesellschaft sich dem Rausch eben hingebe, sei es mit Alkohol oder wie im Fall seines Mandanten mit Cannabis. "Ich will das nicht bagatellisieren, aber wir dürfen auch nicht die gesellschaftliche Realität missachten."

Im Gefängnis käme der 20-Jährige, der jetzt auf einem guten Weg sei, mit Leuten in Kontakt, die tatsächlich mit Drogen handelten, das sei kontraproduktiv. Der Richter gibt dem Anwalt mit seinem Urteil Recht: Sozialstunden, Drogenberatungen - und ein Drogenkonsumverbot. Bis zum Juli 2016.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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