Wissenschaft im Museum:Spannende Kunstform

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Die Hinterglasmalerei war lange verpönt. Nun soll sie von Penzberg aus wissenschaftlich erforscht werden

Von Petra Schneider, Penzberg

Das Stadtmuseum Penzberg, das umgebaut und im kommenden Jahr neu eröffnet wird, etabliert sich als Forschungsstandort im Bereich Hinterglasmalerei. Seit vorigem Jahr läuft ein Projekt, das von der Ernst von Siemens-Kunststiftung finanziert wird und sich mit Hinterglasbildern Heinrich Campendonks beschäftigt. Nun hat das Museum den Zuschlag für ein Folgeprojekt erhalten: Die Volkswagen Stiftung finanziert das dreijährige Projekt "Hinterglasmalerei als Technik der Klassischen Moderne 1905-1955" mit knapp einer halben Million Euro.

Es steht unter Federführung von Museumsleiterin Gisela Geiger und wird mit der Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und dem Doerner Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlung München umgesetzt. Im Jahr 2017 soll eine dezentrale Ausstellung in etwa 20 Museen aus dem In- und Ausland stattfinden, die Koordination liegt in Händen des Penzberger Museums: In einem gemeinsamen Katalog werden die Forschungsergebnisse zusammengestellt, die Hinterglasbilder bleiben aber an den jeweiligen Standorten, um Beschädigungen der fragilen Kunstwerke beim Transport zu vermeiden.

August Mackes Hinterglasbild "Musikanten und Tänzer" (Ausschnitt) hängt in Paris. (Foto: privat)

Die Zusammenarbeit mehrerer Museen und die interdisziplinäre Ausrichtung des Projekts in den Bereichen Kunstgeschichte, Kunsttechnologie und Naturwissenschaft zeichne das Projekt aus, betonte Geiger bei einem Pressetermin am Mittwoch im Rathaus. "Es ist eher unüblich, dass sich ein kleines Museum auf so ein großes Projekt einlässt." Für die Stadt bedeute das einen Prestigegewinn. "Und unser Museum, das auch nach dem Umbau ein kleines bleiben wird, rutscht in eine andere Liga", sagte Geiger.

Im Bereich Hinterglasmalerei klaffe eine große Forschungslücke, die nun geschlossen werden soll. Die Technik habe vor allem in Deutschland Bedeutung, sagte Geiger. "Aber auch Museen in Brüssel, Amsterdam, Paris, Moskau und Sankt Petersburg haben Hinterglasbilder", wie eine Fragebogenaktion ergeben habe. Das interdisziplinäre Forscherteam werde die Werke an den Museen untersuchen.

Die Hinterglasmalerei im 20. Jahrhundert ist von der Forschung bislang stiefmütterlich behandelt worden. Als Kunstform war sie im akademischen Betrieb verpönt und wurde als Nischenprodukt eher in den Bereich der Volkskunst eingeordnet. Seit der Antike ist die rückwärtige Bemalung von Glastafeln bekannt, ihre Blütezeit erlebte die Technik im 17. und 18. Jahrhundert. Auch die Gruppe der "Blauen Reiter" und ihr jüngstes Mitglied Heinrich Campendonk entdeckten die Hinterglasmalerei als spannende Kunstform.

Heinrich Campendonks "Frau mit Blume" (Ausschnitt) hängt in Neuss. (Foto: privat)

Mit der Entwicklung neuer Pigmente, Teerfarbstoffe und Bindemittel und unbeachtet vom akademischen Betrieb bot sie Raum für Experimente. Die leuchtenden Ölfarben oder Mischtechniken und die rückwärtig aufgetragenen Farben stellen einen besonderen Reiz dar - und eine restauratorische Herausforderung. Denn die schwache Haftung der Malschicht auf dem rund zwei Millimeter starken Glas sei problematisch, sagte Restauratorin Simone Bretz: "Da gibt es große Forschungslücken." Viele Museen, die Hinterglasbilder in ihren Depots hätten, könnten diese nicht richtig einordnen. "Und man traut sich auch nicht ran", sagte Bretz. Die Garmischer Restauratorin, die auch für das Murnauer Museum arbeitet und eine international anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Glasmalerei ist, wird das Projekt im Team mit einem Doktoranden im Fachbereich Chemie und Diana Oesterle umsetzen. Die Kunsthistorikerin und Doktorandin will eng mit der Ludwig-Maximilians-Universität zusammenarbeiten und so die Vernetzung von Forschung und Lehre unterstützen.

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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