Vor Gericht:Mordabsichten oder Affekthandlung?

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Im Prozess gegen eine Frau, die auf ihre frühere Schwiegermutter einstach, gehen die Plädoyers auseinander

Von Andreas Salch, Penzberg/München

Im Prozess gegen die 46-jährige Angelika M., die versucht haben soll, ihre frühere Schwiegermutter zu ermorden, hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag sieben Jahre Haft gefordert. Die Mutter von zwei Kindern hatte am 21. Juni 2017 der 74-jährigen ehemaligen Schwiegermutter in der Garage ihres Anwesens in Penzberg aufgelauert, als sie gerade mit ihrem Auto hineinfuhr. Die Angeklagte riss unvermittelt die Fahrertüre auf und stach der Seniorin laut Anklage mit einem Messer "kraftvoll in die linke Brust". Dabei soll sie der 74-Jährigen vorgehalten haben, sie habe ihr die Kinder genommen. Die Beziehung von Angelika M. und ihrem damaligen Mann war zu diesem Zeitpunkt gescheitert. Die beiden Kinder lebten bei ihrer Großmutter.

Nach der Messerattacke hatte die 46-Jährige das Opfer sich selbst überlassen. Angelika M. schloss das Garagentor, ging zu ihren Kindern, die von alledem nichts mitbekommen hatten, und machte mit ihnen einen kurzen Ausflug. Die 74-Jährige hatte nach dem Stich zeitweise das Bewusstsein verloren. Einige Zeit später war sie wieder zu sich gekommen und hatte schwer verletzt die Garage verlassen können. Im Freien brach sie zusammen. Gegen 17.15 Uhr fanden sie ihre Enkel, nachdem sie alleine von dem Ausflug mit der Mutter zurückkehrt waren. Eines der Kinder ging zu einer Nachbarin und sagte, was passiert war. Diese setzte einen Notruf ab.

Es sei nur einem glücklichen Zustand zuzuschreiben, dass die frühere Schwiegermutter der Angeklagten die Garage trotz ihrer schweren Verletzung habe verlassen können, sagte Staatsanwältin Karin Jung bei ihrem Plädoyer. Angelika M. hielt sich währendessen ihre Hand vors Gesicht. Die 46-Jährige habe "mit der Absicht töten zu wollen, zugestochen", so Jung. Sie habe sich versteckt und sei für das Opfer unsichtbar gewesen. Bei der Tat handle es sich um einen heimtückischen und hinterlistigen Überfall. Aufgrund der Trennung von ihrem damaligen Mann und anderen persönlichen Schwierigkeiten hätten sich bei der Angeklagten "Gefühle aufgestaut".

Rechtsanwältin Berna Behmoaram, die das Opfer in dem Prozess vor Schwurgerichtskammer am Landgericht München II vertrat, machte Angelika M. in ihrem Plädoyer schwere Vorwürfe. "Wenn ich bösartig wäre, würde ich sagen, vor uns sitzt die personifizierte Larmoyanz." Vor Gericht habe die Angeklagte den Eindruck erwecken wollen, als habe sie immer das gemacht, was ihr früherer Mann von ihr erwartet habe. Doch dies stimme nicht, so die Anwältin. Vielmehr sei es umgekehrt gewesen: "Ihr Wille war Gesetz." Und wenn sie diesen nicht habe durchsetzen können, sei sie gegenüber ihrem früheren Mann verbal ausfallend und körperlich aggressiv geworden, so Behmoaram.

Der Verteidiger von Angelika M., Rechtsanwalt Ulrich Ziegert, sagte, die Angeklagte habe die ihr zu Last gelegte Tat aus einer "Affektauffallung" heraus verübt. Sie habe nicht die Absicht gehabt, ihre frühere Schwiegermutter zu töten. Andernfalls hätte sie weiter auf sie eingestochen. Bei seiner Mandantin seien aufgrund ihrer damaligen persönlichen Situation sämtliche "Sicherungen durchgebrannt". Aus diesem Grund plädierte er lediglich für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, benannte aber keine konkrete Höhe des Strafmaßes. Dieses sollte sich aus seiner Sicht im "mittleren Bereich" bewegen. Das Urteil stand bis zum Redaktionsschluss noch nicht fest.

© SZ vom 21.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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