Überraschende Wirte-Scharade:Stille Nachfolge

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Rudolf Schall war nur ein halbes Jahr Wirt in der Penzberger Stadthalle. Nun zieht es ihn nach Brunnthal. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Rudolf Schall hat die Stadthalle in Penzberg gepachtet und den Betrieb nach wenigen Monaten an Paula Maria Reisek übergeben. Der Stadtrat befasst sich nun mit dem Wechsel, von dem er nur per Zufall erfahren hat.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Im Penzberger Rathaus ist man alles andere als erfreut. Still und leise hat Stadthallen-Wirt Rudolf Schall die Segel gestrichen und seine R&G Dienstleistungs GmbH, die das Gebäude von der Stadt gepachtet hat, verkauft. Neue Geschäftsführerin und damit Wirtin ist die Hotel- und Restaurantfachfrau Paula Maria Reisek. Die 32-Jährige hat die Stadthalle schon zum 1. November 2017 übernommen. Die Stadt hat davon durch Zufall erfahren. Der überraschende Wechsel ist Thema der Stadtratssitzung im Februar.

Bürgermeisterin Elke Zehetner (parteifrei/SPD) ist sauer. Ihrer Kenntnis nach sei Reisek seit September vergangenen Jahres "undercover" in der Stadthalle. Auch wenn sich für die Gäste nichts ändern mag, guter Stil sei das nicht. An diesem Montag erst hatte sich die neue Wirtin im Rathaus vorgestellt. Zu sicher dürfe sich Reisek nicht fühlen, warnt Zehetner. Der Stadtrat habe in der Sache das letzte Wort.

Im März 2017 hatte Schall die R&G Dienstleistungs GmbH gegründet. Im Oktober verkaufte er sie. Er habe seine Anteile abgegeben, bestätigt Reisek. Aus ihrer Sicht hätte Schall die Stadt informieren müssen. Das Ganze sei "unglücklich und anders als gewünscht" gelaufen. Obschon Schall am 31. Dezember 2017 komplett ausschied, trat er noch als Stadthallen-Wirt im Januar 2018 vor den Bauausschuss des Stadtrats, um für den Umbau des kleinen Saals zu werben. Er fordert seit Langem, dass der Saal in den Restaurantbereich integriert und im bayerischen Stil neu möbliert werden soll. Warum er die Verwaltung und die Stadträte über den Wechsel nicht informiert hat, erklärt Schall damit, dass er von Reisek geschickt worden sei, die selbst aus persönlichen Gründen nicht in die Sitzung habe kommen können. Seine Nachfolgerin, die erst kürzlich Mutter geworden ist, habe im Januar nicht schwanger vor das Gremium treten wollen.

Die neue Stadthallen-Wirtin spricht davon, dass sie mit ihrem Team ein anderes Konzept als Schall verfolge. Der kleine Saal soll Tagungsraum bleiben. Stattdessen wolle sie die Gaststube im ersten Stock in das Restaurant integrieren. Sie sei im vergangenen Herbst aus der Not heraus eingesprungen, als das Pharmaunternehmen Roche in der Stadthalle feiern wollte und es Schall an Equipment und Personal gefehlt habe, sagt Reisek.

Schall, Reiseck und ihr Mann Bashir Noori sind freundschaftlich wie geschäftlich miteinander verbunden. 2016 hatten Schall und sein Geschäftspartner Sinan Yildirim das Wirtshaus in Gröbenzell übernommen. Beide sind dort längst nicht mehr tätig. In Gröbenzell gibt nun die Noori's Gastronomie GmbH & Co. KG, eine Firma von Bashir Noori, den Ton an. Ehefrau Reisek firmiert als Inhaberin. Mit Yildirim wiederum hatte Schall in Gröbenzell das Möbelhaus "Marie enjoy living" eröffnet, danach haben sie das Unternehmen Gastromobiliar München gegründet. In der Stadt mutmaßt man, dass Schall den Auftrag für den Umbau und die Ausstattung des kleinen Stadthallen-Saals gerne einer seiner Firmen hätte zukommen lassen wollen.

Noori gehören mehrere GmbHs rund um München. Mit einer Einlage von 25 000 Euro entzieht man sich bei der Gründung der persönlichen Haftung und kann steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen. Eine der Gesellschaften ist die Elit GmbH, die in Unterföhring die Eventlocation 'Feringa Saal' betreibt. Von dort soll künftig Personal für die Stadthalle bereitgestellt werden. Servicepersonal vorzuhalten, war ein großes Problem für Schall. "Wer will schon für eine oder zwei Stunden am Abend arbeiten, wenn die Leute bei Veranstaltungen nur was zum Trinken haben wollen", sagt er und spart nicht mit Kritik. Dass man von ihm erwartet habe, er solle Strom und andere Nebenkosten selbst zahlen, wenn etwa der Theaterverein probe, habe man ihm vorher nicht gesagt.

Im Rathaus pocht man darauf, dass Schall seine Schulden im mittleren fünfstelligen Bereich begleicht. Seit er im Juni 2017 die Gastronomie übernahm, blieb er seine Pacht meist schuldig. Schall begründete dies mit Mängeln, die die Stadt beheben müsse. Mit dem Wechsel hat Reisek diese Schulden übernommen. Die 32-Jährige hat andere Vorstellungen: günstigere Konditionen, sonst sei die Stadthalle nicht erfolgreich zu führen.

Wirt Rudolf Schall zieht indes weiter. Er bestätigt, sich in Brunnthal im Landkreis München beworben zu haben. Die Gemeinde baut in der Ortsmitte ein neues Gasthaus mit Hotel, Wohnbebauung und Gewerbe für etwa 14 Millionen Euro.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlicherweise, auch Schall sei an den GmbHs rund um München beteiligt. Dies ist nicht der Fall, wir haben den Fehler korrigiert.

© SZ vom 09.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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