Kandidaten für den Tassilo 2018:Die Mitreißenden

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Der Isura-Madrigal-Chor aus Geretsried macht seinem an die Isar angelehnten Namen Ehre.

Von Sabine Näher, Geretsried

Der Isura-Madrigal-Chor aus Geretsried hat im vergangnen November einen großen Erfolg gefeiert: Beim Bayerischen Chorwettbewerb in München belegte er unter 42 Chören den Zweiten Platz. Bei der intensiven Probenarbeit davor hatten durchaus schon einmal die Nerven blank gelegen. "Aber da hat Johannes wie immer die Ruhe bewahrt und alles wieder ins Lot gebracht", sagt Saskia Hannig, Altistin und Vorsitzende des Chorvereins. Sie spricht von dem seit 2010 amtierenden Chorleiter Johannes Buxbaum. Er hat Kirchenmusik am Richard-Strauss-Konservatorium in München studiert und Chordirigieren an der Hochschule für Musik und Theater. Als er den Chor übernahm, war er gerade einmal 23 Jahre alt. "Als Christian Preißler die Leitung abgab, haben wir mehrere Bewerber eingeladen, mit uns zu arbeiten", erzählt die Sopranistin Bettina Geue-Decker. "Danach haben wir abgestimmt - und er als der jüngste Kandidat wurde mit übergroßer Mehrheit gewählt." Alle Madrigalisten loben Buxbaums natürliche Autorität, seinen freundlichen, aber bestimmten Arbeitsstil. "Ich vertraue ihm einfach. Man kann sich darauf verlassen: Auch wenn's mal sehr hektisch wird, er navigiert uns durch", sagt Geue-Decker.

Doch der beste Chorleiter steht auf verlorenem Posten ohne engagierte, versierte und begeisterungsfähige Sänger. Und die hat der Isura-Madrigal-Chor. Wer hier mitwirkt, sucht das feine Singen, den austarierten A-cappella-Klang, der von jedem Einzelnen sowohl besondere stimmliche Fähigkeiten als auch Einfühlungsvermögen verlangt. Man muss sehr gut aufeinander hören in einem solchen Ensemble, sich einfügen und zurücknehmen können. Als Glücksfall preisen es die Sänger, dass Buxbaums Ehefrau Anna-Theresa, Sängerin und Gesangspädagogin, die chorische Stimmbildung übernommen hat. Sie kommt regelmäßig zu den Proben und bittet einzelne Choristen oder kleine Gruppen für 20 Minuten zum Einzeltraining hinaus. Dass man zu ihr gehen darf - und keineswegs muss, betonen die Choristen.

Die anspruchsvolle A-cappella-Literatur legt den Klang schonungslos offen; hier gibt es keine sanften Streicher oder brillante Bläser, die sängerische Defizite gnädig überdecken könnten. Aber gerade diese Herausforderung suchen die Madrigalisten. Und der hohe Anspruch, den sie an sich selbst stellen, verbindet sie auch. Für den Bass Andreas Roth sind die Mit-Sänger gar "die zweite Familie". Und auch alle anderen heben das besonders gute Klima hervor, das zahlreiche Freundschaften hat entstehen lassen. "Hier haben sich Paare gefunden. Und auch getrennt ...", sagt Roth. Möglich ist das nur aufgrund der guten Verteilung zwischen Frauen- und Männerstimmen, die sich deutlich vom sonst herrschenden Frauenüberschuss anderer Chöre unterscheiden. Für Saskia Hannig war das sogar der Grund, sich 2013 genau dieses Ensemble auszusuchen. Aus rein klanglichen Erwägungen, sei ausdrücklich betont. "Nur mit dieser ausgewogenen Mischung aus Frauen- und Männerstimmen ist es möglich, auf so hohem Niveau zu arbeiten. Einen vergleichbaren A-cappella-Chor gibt es in der Region sonst nicht", sagt Hannig.

Und so strömen die rund 50 Sänger zur allwöchentlichen Probe wie zu den zweimal jährlich stattfindenden Probenwochenenden aus einem Umkreis von München bis Weilheim und vom Tegernsee bis zum Staffelsee nach Geretsried. Der Jüngste ist 16, der Älteste 81 Jahre alt. Auch gemeinsame Reisen werden gerne unternommen. Während es der Chorleiter da durchaus einmal entspannter angehen möchte, will seine Truppe auf ein Konzert am Reiseort nie verzichten. "Das gehört unbedingt dazu", sagt Geue-Decker mit Entschiedenheit. Und gerade da entstehen mitunter unvergessliche Erlebnisse. Für Geue-Decker war es das Konzert in Görlitz, der geteilten Stadt, die zur Hälfte auf polnischem Boden liegt. Der Chor gestaltete dort einen Gottesdienst musikalisch aus. "Diese Menschenmassen! Und diese spürbare Freude der Zuhörer! Das war so ein Gefühl von Völkerverständigung", erinnert sie sich. Roth ergänzt: "Die Leute sind in der Kirche aufgestanden, manche haben geweint vor Ergriffenheit. Das werde ich nie vergessen." Besser kann man dem eigenen Namen - Isura kommt von der Isar, der "Mit-Reißenden" - wohl nicht gerecht werden.

Leserinnen und Leser der SZ haben Gelegenheit, Personen und Gruppen vorzuschlagen, die künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Vorschläge an tassilo@sueddeutsche.de oder SZ Bad Tölz-Wolfratshausen, Untermarkt 2, 82515 Wolfratshausen (bis Mittwoch, 28. Februar).

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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