SZ-Adventskalender:Wieder selbst bestimmen

Lesezeit: 2 min

Ein schwerer Arbeitsunfall hat Uwe D. in die Armut getrieben

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Sein Leben hätte eigentlich ganz anders verlaufen sollen: Uwe D. (Name geändert) wagt nach der Schule und der Lehre den Sprung in die Selbständigkeit und gründet eine eigene Baufirma. Viele Jahre lang läuft das Geschäft gut, Uwe D. teilt sich die Aufgaben mit seiner Frau, und die Familie ist glücklich mit den beiden Kindern. Ein Mann in der Mitte der Gesellschaft also, man könnte auch sagen: ein Macher. Doch Ende der 1990er Jahre wendet sich plötzlich das Blatt. Die Zahlungen gleich mehrerer Kunden bleiben aus, Uwe D. kann deshalb den eigenen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, und seine Firma gerät in Schwierigkeiten. Um die Insolvenz abzuwenden, hält er sich noch eine Zeit lang als Subunternehmer anderer Bauunternehmen im europäischen Ausland über Wasser. Doch ein schwerer Arbeitsunfall macht schließlich die Hoffnung zunichte, die Talsohle durchschritten zu haben und die Firma wieder zur Blüte führen zu können.

Nicht nur musste Uwe D. nach dem Unfall seine Firma aufgeben. Seither leidet der heute 60-Jährige unter epileptischen Anfällen und kann nicht länger so anpacken wie er es gewohnt war. Durch die Arbeitsunfähigkeit rutscht er immer tiefer in die Armut. Und über diesem Einschnitt geht auch noch seine Ehe in die Brüche. Dennoch will er nicht aufgeben, sondern zurück in die Arbeitswelt. Uwe D. wagt deshalb den Neustart, zieht Anfang der 2000er Jahre in den Landkreis, um näher bei seinen inzwischen erwachsenen Kindern zu sein. Zusammen mit einer neuen Lebensgefährtin will er wieder selbständig arbeiten und so raus aus den finanziellen Engpässen. Das Paar schafft sich deshalb Baumaschinen an. Doch aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen hinkt die Auftragslage dem Wunsch und Willen nach. Für Uwe D. besteht zudem immer die Gefahr, dass er einfach umfällt aufgrund der Krankheiten, insbesondere dann, wenn er seine Medikamente nicht regelmäßig einnimmt. Das birgt die Gefahr schlimmer Verletzungen, denn Uwe D. fällt ohne Vorwarnung um: da, wo er gerade steht. Das raubt ihm letztlich die Möglichkeit, kräftig mit anzupacken. Die Firma kommt nicht ins Laufen und ist zum Scheitern verurteilt. Statt dass es wieder aufwärts geht häufen sich die Schulden, die Lebensgefährtin greift zur Flasche und verlässt ihn.

Heute lebt Uwe D. in einem kleinen Einzelzimmer, ist auf Sozialleistungen und einen Rollator angewiesen und wird betreut. 100 Euro Taschengeld bleiben ihm im Monat. Sein größter Wunsch: einen kleinen Kühlschrank sein Eigen nennen zu können. Nicht nur, um das kleine, bescheidene Zimmer zumindest ein bisschen wohnlicher zu machen. Für den 60-Jährigen hätte der Kühlschrank auch symbolische Bedeutung: doch noch etwas bevorraten können. Ein Hauch von Selbstbestimmung in einem Leben, das ihm in den vergangenen Jahrzehnten in so vielen Bereichen entglitten ist.

© SZ vom 06.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: