SZ-Adventskalender:Wenn das Geld fürs Nötigste fehlt

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Gebraucht werden Stiefel, eine Spüle und ein Bett - im Loisachtal entsteht eine "Tafel"

Auf der Kommode in dem winzigen, schmucklosen Wohnzimmer steht eine alte, vergilbte Glückwunschkarte. "Alles wird gut", ist darauf geschrieben. Von wem Gerhardt W. (Name geändert) die Karte einst bekam, ist nicht zu entziffern. Aber das evangelische Pfarramt in Wolfratshausen bemüht sich sehr darum, dass sich der Wunsch für den Rentner zumindest im Kleinen noch erfüllt. Konkret: Dass Gerhardt W. im Alter nicht alleine gelassen wird mit seinen Sorgen.

In jungen Jahren erkrankte Gerhardt W. an Kinderlähmung. Eines seiner Beine verkrüppelte. Sein Vater beschloss auf Anraten der Ärzte, das Bein amputieren zu lassen, als Gerhardt W. 17 Jahre alt war. Trotz der Prothese ging er als junger Mann arbeiten und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Straßenarbeiter. Fleißig sei er gewesen, versichert er, er habe seine Aufgaben immer gerne und gut erledigt. Doch heute ist klar: Das alles reicht nicht, um jetzt, mit Mitte 60, bescheiden, aber angemessen leben zu können. Die Rente ist einfach zu klein. Keine 150 Euro stehen Gerhardt W. nach Abzug der Miete monatlich zur Verfügung.

Kürzlich ist seine Spüle zerbrochen und er weiß nicht, woher er das Geld für eine neue nehmen soll. Noch dazu, wo er jeden Tag gesundheitlich zu kämpfen hat. Der Arzt rät ihm wegen der Folgen der Kinderlähmung, er solle sich viel bewegen. Doch im Winter fehlt ihm dafür das passende, feste Schuhwerk. Inzwischen kann er auch nicht einmal mehr in einem Bett schlafen, weil das alte nach dem Tod seiner Lebensgefährtin entsorgt werden musste.

Ein neues Bett ist auch Maria O.s größter Wunsch. Auch sie wird durch das Wolfratshauser Pfarramt unterstützt, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht und sie deshalb mehr und mehr zu vereinsamen droht. Nun, nach 30 Jahren ist ihr Bettgestell zusammengebrochen, die Matratze durchgelegen, doch für eine Neuanschaffung ist kein Cent übrig.

Auch im Loisachtal gibt es Menschen mit geringer Rente, für die das Leben im Oberland schwierig zu bewerkstelligen ist. Um sie mit Lebensmitteln zu versorgen, baut Thomas Schneider - er war Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft Benediktbeuern-Bichl - eine Tafel auf. Ihm zur Seite steht der frühere Verwalter des Klosters Benediktbeuern, Klemens Rehm. Vom Prinzip, Essen, das noch in Ordnung ist, aber nicht mehr verkauft werden kann, an Notleidende zu verteilen, ist Rehm überzeugt. Für Ausgabe und Lagerung der Lebensmittel überlässt die Gemeinde Kochel der Tafel Räume im Keller der Heimatbühne. Träger wird das Bayerische Rote Kreuz (BRK) sein. Mit einer Spende des Adventskalenders könnte die entstehende Tafel ein Auto kaufen, einen Kombi mit einer Kühlzelle, um die Lebensmittel bei den Geschäften abholen und zur Ausgabestelle bringen zu können.

Schneider geht davon aus, erstmals Anfang Januar 2017 Lebensmittel verteilen zu können. Zehn bis 15 Geschäfte haben ihre Unterstützung bereits zugesagt - Bäcker, Metzger, der Aldi in Pessenbach, die Edeka-Läden in Kochel und Benediktbeuern. Die Ausgabestelle wird voraussichtlich montags von 17 Uhr an geöffnet haben. Einige Helfer werden noch gesucht. Bisher hätten sich mehr als 20 Personen bereit erklärt, mitzuarbeiten. "Es sollten aber deutlich mehr als 30 sein", sagt Schneider. Denn dann lasse sich die Arbeitsbelastung für jeden einzelnen in Grenzen halten. Ein erstes Helfertreffen soll am Montag, 19. Dezember, stattfinden. Wer mitmachen will, kann sich bei Thomas Schneider, Telefon 08857/1295, E-Mail: tom@tcschneider.de oder bei Klemens Rehm, Telefon 08857/69 88 97, E-Mail: klemens.rehm@googlemail.com, melden.

© SZ vom 03.12.2016 / cjk/Bene - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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