SZ-Adventskalender:Plötzlich alleinerziehend

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Judith R. versorgt ihre drei Kinder und will nun ein Studium beginnen

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Eine etwas verzwickte Situation", so beschreibt Judith R. ihr derzeitiges Leben. Denn eigentlich hätte vieles einfach anders laufen sollen, wenn es nach ihr gegangen wäre: Nach der Schule war es eigentlich ihr größter Wunsch gewesen, zu studieren. Doch um finanziell gesicherter zu sein, entschied sie sich, zunächst eine Ausbildung zu absolvieren. Kaum hatte sie diese abgeschlossen, lernte sie einen Mann kennen, von dem sie dachte, er sei die Liebe ihres Lebens. Rund ein Jahr lang arbeitete sie zwar noch in ihrem erlernten Beruf. Doch dann wurde sie schwanger. Die beiden heiraten, und dem ersten Kind folgten zwei weitere. Judith R. ist glücklich als Familienmutter, kümmert sich rührend um die drei, von denen das mittlere Kind mit schwerem Rheuma zur Welt kommt und die beiden anderen unter ADHS leiden. "Das war der Grund, warum ich mich entschied, nicht zu arbeiten, sondern für die Kinder da zu sein", erklärt sie. 16 Jahre lang geht die Konstellation auch auf: Ihr Mann verdient das Geld, Judith R. kümmert sich um die Kinder. "Wir waren ein gutes Team", sagt sie.

Doch dann kam der Tag, an dem ihr Mann eine andere Frau kennenlernte - eine jüngere - und die Scheidung einreichte.

Seither ist für Judith R. die Welt nicht mehr dieselbe. Als nun plötzlich Alleinerziehende muss sie weiter für die Kinder sorgen, die unter der Trennung leiden und nach wie vor mannigfache gesundheitliche Probleme haben. Insbesondere das ADHS und das Rheuma bedeuten für die Familie viele Arzttermine und zusätzliche Kosten, ganz abgesehen vom erhöhten Betreuungsaufwand. "Und plötzlich kann man einen anstrengenden Alltag eben nicht mehr mit jemandem teilen", sagt Judith R.

Seitdem sie ihr Mann verlassen hat, reicht auch das Finanzielle hinten und vorne nicht mehr. Weil sie eben nur ein Jahr arbeitete, bleibt ihr nur der Unterhalt zum Leben. Doch Judith R. ist stark und schafft deswegen vieles, von dem sie vorher nicht wusste, dass sie es schaffen kann: Um die angespannte Haushaltslage zu verbessern, verdient sie nebenher noch Geld in einem Nebenjob, wenn die Kinder in der Schule sind. Doch auf lange Sicht will Judith R. ihnen wieder ein wirklich besseres Leben bieten: "Ich wünsche mir, dass wir in drei Jahren wieder auf einem anderen Level sind, raus aus diesem finanziellen Tal und diesen ewigen Engpässen. Denn es lässt einem kaum Luft zum Atmen, alles ist auf Kante genäht, nicht einmal Schlittenfahren mit den Kindern ist möglich".

Ihr Plan für die Zukunft aber zeigt, wie stark sie wirklich ist, um das zu schaffen: Judith R. will nun doch noch studieren, und zwar Soziale Arbeit. Mit dem besseren Abschluss erhofft sie sich dann nicht nur wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Sie will dann auch anderen Menschen helfen, die in eine ähnliche Lage geraten sind wie sie nach ihrer Trennung. Doch um den Einstieg in diese Selbsthilfe zu finden, braucht sie noch etwas Unterstützung: Denn ein Computertablet, das für den Unterricht und für die Lernmaterialien erforderlich ist, kann sie sich derzeit nicht leisten.

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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