Schäftlarn:Doppelt gut

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Die Theatergruppe des Gymnasiums Schäftlarn bringt einen geistreich neu inszenierten "Macbeth" auf die Bühne. Verdienter Applaus für alle Beteiligten

Von Peter Buchholtz, Schäftlarn

Lange dauert es vor der Premiere, bis jeder der mehr als 40 Mitwirkenden der Theatergruppe Schäftlarn hinter der Bühne dem anderen dreimal über die Schulter gespuckt hat. Ein bisschen Glück schadet den Beteiligten sicher nicht, denn dass "Macbeth" eine der bekanntesten, aber aufgrund von Versmaß und Textumfang auch eine sehr anspruchsvolle Tragödie ist, hat der Theatergruppe nicht gereicht. Bei der Inszenierung des Werks haben sie die Rolle des Macbeth und der Lady Macbeth gleich zweimal besetzt. Das Wagnis hat sich gelohnt. Minutenlanger Applaus in der Aula des Gymnasiums bewies es.

"When shall we three meet again? In thunder, lightning, or in rain?" sind die berühmten Worte der Hexen, die aus dem Nebel den ersten Akt eröffnen. In dunklen Gewändern mit Zöpfen, die eng am Kopf anliegen und sich dann drahtig in alle Richtungen wenden, liefern sich die Darstellerinnen Lea Schmid-Burgk, Annika Kolbe und Flurina Schuster einen Wettbewerb der scheußlichen Fratzen. Bald darauf wird König Duncan (Johann Erhardt), der sich in der letzten Schlacht mit dem schottischen König Sweno befindet, vom heldenhaften Einsatz Macbeths unterrichtet. Macbeth, "Schoßkind des Muts", wird in Abwesenheit zum Thane von Cawdor ernannt.

Gespielt von Leopold Barth und Georg Kainz betritt der blutverschmierte und vom Krieg gezeichnete Macbeth das Bild; an seiner Seite der königliche Heerführer Banquo (Jakob Teterycz). Aus dem Hintergrund tauchen die Hexen auf und prophezeien Macbeth eine Zukunft als König und Banquo königliche Nachfahren. Die Macbeth-Darsteller sprechen mal abwechselnd, mal synchron, mal ergänzen sie einander und beenden den Satz des je anderen. Macbeth freundet sich im Stillen mit dem Gedanken an, König zu sein, und schmiedet mit Lady Macbeth, gespielt von Marie-Luise März und Philippa Lauer, den Mordplan.

Die Hexen (Lea Schmid-Burgk, Flurina Schuster, Annika Kolbe) prophezeihen Banquo (Jakob Teterycz) die Zukunft. (Foto: Hartmut Pöstges)

Schon zu Beginn des Stücks wird nach jeder Szene und jedem neuen Auftritt kräftigt applaudiert. Die Darsteller spielen ausdrucksstark und voller Hingabe. Die Idee der doppelten Besetzung funktioniert. Die Doubles sind fast identisch kostümiert: die Macbeths tragen dunkles Leder, die Ladys eng anliegende Kleider. Die Darsteller können den Zuschauern gleichzeitig äußeres Verhalten und inneres Gefühl vors Auge bringen. Das wird etwa in einer Szene deutlich, in der sich Macbeth und Lady Macbeth vorn aufgebracht unterhalten, während sie im Hintergrund in dauerndem Augenkontakt sind - still, aber mit Ängsten und Sehnsüchten im Blick.

Macbeth stellt den Plan in Frage, den König umzubringen: "Er hat mich gerade eben erst geehrt." Doch die Lady ist besessen vom Wunsch nach Macht und überzeugt Macbeth mit Nachdruck. Die weibliche Rolle ist auffallend facettenreich und stark, schwankt dabei zwischen einem einfühlsamen und einem forschen Ton, den die zwei Darstellerinnen auf den Punkt treffen.

Voller Komik wird nach der Mordnacht der Pförtner (Daniel Mitrovic) geweckt. Macduff (Simon Ahrndsen), Macbeths stärkster Widersacher, und der Thane Lennox (Victoria Fladner) entdecken den Mord; Macbeth erschlägt die Wachen, die zuvor von Lady Macbeth mit dem "schwarzen Blut angeschwärzt" wurden. Nach Duncans Tod und der Flucht seiner Söhne wird Macbeth als Dritter in der Thronfolge zum König gekrönt. Doch er fürchtet sich vor Banquo, der von den Hexen weiß, Verdacht schöpft und ebenfalls an seine Prophezeiung denkt.

Macbeth lässt ihn von einem Killerkommando in Kapuzenpullovern, Jogginghosen und Fechtmasken ermorden, die auch ohne Weiteres einem Musikvideo des Londoner Grime-Superstars Skepta entsprungen sein könnten. Allerdings kann Banquos Sohn Fleance (Laurenz Eibl) entkommen. Der Geist des toten Banquo verfolgt den verängstigten und verwirrten Macbeth aber weiterhin und tanzt, tritt und robbt mit vollem Körpereinsatz durch das Bühnenbild - auch die Köpfe der Zuschauer sind zeitweilig nicht ganz sicher vor fliegenden Metallkelchen.

Zwei Darsteller, ein Macbeth: Leopold Barth und Georg Kainz. (Foto: Hartmut Pöstges)

Macbeth besucht die unheimlichen Schwestern daraufhin ein zweites Mal. In giftgrünes Licht getaucht mit zwölf schaurigen, in Folie verhüllten Gestalten im Hintergrund prophezeien ihm die Hexen, dass kein Mensch, der von einer Frau geboren wurde, ihm je Schaden zufügen könne. Das Stück spart nicht an angsteinflößenden und drastischen Szenen, die vor allem so manch einen der jüngeren Zuschauer zusammenzucken lassen.

Auch die Burg Macduffs wird daraufhin von Macbeths Killern überfallen, Lady Macduff (Gioia Jung) und ihr Sohn (Florian Eisele) ermordet. Zusammen mit Duncans Sohn Malcolm (Lara Lorenzl) und Siward (Johannes Lorenz), dem Earl of Northumberland und englischen Heerführer, zieht Macduff in den Krieg gegen Macbeth. Lady Macbeth hat sich derweil in eine schlafwandelnde, dahinsiechende Gestalt verwandelt, die sich im blutroten Licht krankhaft die Hände schrubbt. "Die Augen sind offen, der Verstand ist zu", attestieren Arzt und Dienerin, kurz bevor sie sich das Leben nimmt.

Macbeths Blick ist voller Wahnsinn, als er den drohenden Untergang bemerkt: "Mich müdet langsam alles Sonnenlicht, möcht sehen, wie alle Welt in Trümmer bricht." Doch geschlagen geben möchte er sich nicht. Im Moment schließlich, in dem beide Hauptrollen-Darsteller eng umschlungen über die Bühne stolpern, wird der Sinn der Doppelbesetzung deutlich, die hier den inneren Konflikt Macbeths sichtbar macht.

Schließlich kommt es zum finalen Kampf zwischen Macbeth und Macduff. Mit roher Gewalt ermordet Macduff Macbeth, umgeben von düster dröhnendem Bassgewitter.

Der Applaus der Zuschauer auf den bis zum letzten Platz gefüllten Reihen ist hochverdient. Nicht nur für die Darsteller. Auch Regie, Kulissenbauer, Techniker, Kostüm- und Maskenbildner haben unter der Gesamtleitung von Herbert Schmid eine außergewöhnliche Inszenierung auf die Bühne gebracht.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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