Säulen statt Zellen :Das Ende der Münzfernsprecher

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Nach Lenggries baut die Telekom nun auch in Schäftlarn ihre öffentlichen Telefonzellen ab und ersetzt sie durch sogenannte Basistelefone. Wer auf diese angewiesen ist, muss vorbereitet sein. Denn sie lassen sich lediglich mit Guthaben- oder Kreditkarten nutzen.

Von Ingrid Hügenell, Schäftlarn/Landkreis

Was tut man, wenn man abends spät mit der S-Bahn am Bahnhof Hohenschäftlarn ankommt, sich ein Taxi rufen möchte und der Handy-Akku ist leer, das Mobiltelefon ging verloren oder wurde gar gestohlen? Noch kann man die Telefonzelle aufsuchen, die dort steht, mit dem nötigen Kleingeld die Nummer eines Taxiunternehmens herausfinden und sich dann einen Wagen herbei rufen.

Eine solche Situation kommt aber wohl nur noch selten vor. Die Telefonzelle an der Hohenschäftlarner Bahnhofsstraße jedenfalls rentiert sich für die Telekom nicht mehr und soll deshalb abgebaut werden. Das geschieht derzeit in vielen Gemeinden. Wie viele Telefonhäuschen oder -hauben das in Bayern betrifft, teilt die Telekom ebenso wenig mit wie die Zahl der schon montierten Basistelefone.

Wenn das Telefonunternehmen eine Zelle abbauen möchte, muss es zuvor die Gemeinde um ihr Einverständnis bitten. Denn nach wie vor hat es einen Versorgungsauftrag, muss also öffentliche Telefone zur Verfügung stellen. Die Telekom hatte in ihrem Schreiben an die Gemeinde argumentiert, die Zelle am Bahnhof verursache monatliche Kosten von 50 Euro für Strom, Reinigung, Wartung und den Telefonanschluss selbst. Die Einnahmen seien aber auf etwa 12,50 Euro gesunken. Nach einer Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden darf die Telekom dann in den Städten und Gemeinde anfragen, ob unwirtschaftliche Telefonzellen abgebaut werden können. Der Schäftlarner Bauausschuss erhielt ein entsprechendes Schreiben, lehnte den Abbau aber einstimmig ab. Denn die Gemeinderäte finden, es sollte am Bahnhof ein öffentliches Telefon geben. Die Zelle in Magenta und Grau wird trotzdem bald abgebaut, aber nicht ersatzlos. Sie wird durch ein sogenanntes Basistelefon ersetzt.

Am Schäftlarner Bahnhof und in Lenggries rechnen sich die Telefonzellen nicht mehr. (Foto: Manfred Neubauer)

So wird es demnächst auch in Lenggries geschehen. Die Telekom wird die drei Zellen am Rathaus neben der Gästeinfo, beim Bahnhof und an der Tölzer Straße entfernen - an der Tölzer Straße steht sogar noch eine gelbe Telefonzelle. Dann werden die einfachen Säulen der Basistelefone installiert, wie Bauamtsleiter Anton Bammer erklärt. Auch in Lenggries stimmte der Bauausschuss im März gegen den Rückbau. Gemeinderat Josef Wasensteiner (CSU) hatte argumentiert: "Wenn jemand am Bahnhof ankommt und kein Handy hat, muss doch sichergestellt sein, dass er telefonieren kann." In dem Touristenort an der Isar kommen viele Gäste mit dem Zug an, gerade auch betagte. Auf ältere Leute, die nicht über Mobiltelefone verfügen, verweist auch der Beschluss des Schäftlarner Bauausschusses.

Die Haltung der Telekom nennt Bammer "in gewisser Weise nachvollziehbar", denn wirtschaftlich seien die Zellen eben nicht, auch wenn sie durchaus genutzt würden. Aufhalten könne die Gemeinde die Entwicklung nicht. Wenn man sich auf die Basistelefone nicht einlasse, kämen die öffentlichen Telefone eben ganz weg. "Mir tun die alten Leute leid, die Gäste, oder die, deren Akku eben mal leer ist."

Und wie schafft man es nun, per Basistelefon ein Taxi zu rufen? Dazu benötigt man eine Guthabenkarte, die sogenannte Calling Card, die es in Tankstellen, Kiosken oder bei der Post zu kaufen gibt. Auf der Karte muss man ein Feld freirubbeln, auf dem eine Pin-Nummer steht. Zunächst muss man nun am Basistelefon die 0800-Taste drücken, dann gibt man die Pin-Nummer ein und dann kann man ins Festnetz telefonieren. Ähnlich funktioniert es mit der Kreditkarte. Da die Basistelefone weder über Beleuchtung noch über Wetterschutz für die Kunden verfügen, könnte das nachts bei schlechtem Wetter eine Herausforderung werden.

Ohne Handy unterwegs? Karte kaufen, rubbeln, freischalten. (Foto: Uwe Zucchi / dpa)

Einen ganz anderen Weg ging vor sechs Jahren die Gemeinde Bad Heilbrunn. Sie ließ sich in der Ortsmitte im Bushäuschen ein sogenanntes Clubtelefon installieren, das sie selbst bezahlte und für das sie seither eine monatliche Gebühr an die Telekom entrichtet. Etwa 40 Euro seien das, sagt Andreas Mascher, Geschäftsleiter der Gemeinde. "Die Gemeinde zahlt drauf, das wird kaum genutzt." Dennoch soll das Telefon hängen bleiben, bis die Telekom 2018 komplett auf Internet-Telefonie umstellt. Dann nämlich funktioniere das Clubtelefon nicht mehr, sagt Mascher. Ob die Telekom dann stattdessen ein Basistelefon aufstellt, wisse er nicht.

An mehr als 9000 Telefon-Säulen bot die Telekom 2014 neben einem öffentlichen, mit Münzen oder Telefonkarte funktionierenden Telefon auch einen Zugang ins Wlan-Netz an. Eine solche Säule steht beispielsweise im Ortszentrum von Schlehdorf. Dass die Tele-Stationen mit Wlan eher stehen bleiben als Telefonzellen, ist nicht gesagt. "Wir schauen uns jede einzelne Säule an und bewerten sie", teilt Telekom-Sprecher Markus Jodl dazu mit.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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