"Wirtschaftswunder":Nah am Himmel

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Am Reutberg bei Sachsenkam ergeben Kloster, Brauerei und Wirtschaft eine unschlagbare Kombination.

Von Sabine Näher, Sachsenkam

Wer einmal im Biergarten des Klosterbräustüberls Reutberg die herrlich weite Aussicht über grüne Wiesen und sanft geschwungene Hügel bis hinüber zu den hohen Alpengipfeln genossen hat, will immer wieder hierher kommen. Einfach auf ein Bier aus der hauseigenen Klosterbrauerei, auf Kaffee und einen der prächtigen Kuchen oder auf ein Essen, wie man es sich in einer bayrischen Wirtschaft auf dem Land so vorstellt. Das lockt viele Münchner nach Sachsenkam. Neben dem M-Kennzeichen finden sich an diesem Samstagnachmittag im August Autos aus den umliegenden Regionen, aber auch aus ganz Deutschland auf dem Parkplatz unterhalb des Klosterhügels. Auch wer den überaus lohnenden Spaziergang zum versteckt liegenden Kirchsee, dessen samtiges Moorwasser herrliche Badefreuden garantiert, scheut, muss doch den kurzen Anstieg zur Biergarten-Terrasse auf sich nehmen. Und darf sich dafür im Stillen gleich ein Bier oder einen Kuchen mehr gönnen.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Biergarten des Klosterbräustüberl Reutberg mit der wunderbaren Aussicht ist oft voll besetzt.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Georg Lichtenegger, einer der Inhaber, ist oft an der Schänke beschäftigt.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bernhard Haindl, sein Kompagnon, ist gelernter Koch und daher für die Speisen verantwortlich.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Lauschig: der Biergarten des Klosterbräustüberls.

"Mit der Kombination aus Kloster, Brauerei und Wirtschaft mit Biergarten haben wir ein unschlagbares Angebot", erklärt Georg Lichtenegger die hohe Besucherfrequenz in seinem Haus. Seit 2010 betreibt der 1985 in Benediktbeuern geborene und in Dietramszell aufgewachsene Gastronom gemeinsam mit dem befreundeten Koch Bernhard Haindl das Klosterbräustüberl. Während seiner Ausbildung zum Metallbauer hat Lichtenegger nebenbei gekellnert, und zwar in der Klosterschänke Dietramszell. Deren Wirtin war Gertraud Haindl, Bernhards Mutter. "Dabei habe ich bemerkt, wie gut mir das gefällt, und dort eine Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht", erzählt Lichtenegger.

Auch der 1979 in Bad Tölz geborene Bernhard Haindl lernte zunächst einen anderen Beruf, nämlich Raumausstatter, und war in diesem auch mehrere Jahre tätig. "Aber natürlich habe ich immer im Betrieb meiner Mutter in Dietramszell mitgearbeitet. Und weil ich einfach gerne koche, habe ich dann noch eine Koch-Lehre angehängt." Die erfahrene Gastronomin Haindl bringt die beiden jungen Männer dann auch auf die Idee, etwas Neues anzugehen. Zu dritt übernehmen sie 2010 die Leitung des Klosterbräustüberls, als die Brauerei für dieses einen neuen Pächter sucht. Doch schon 2011 stirbt Gertraud Haindl nach längerer Krankheit. "Wir mussten also schon damit rechnen, in absehbarer Zeit auf uns gestellt zu sein", sagt Lichtenegger. Nach einem Jahr Einarbeitungszeit, in der die Möglichkeit bestand, immer bei der Mutter und Ausbilderin rückfragen zu können, fühlen sich die beiden gerüstet, alleine weiter zu machen.

Der Erfolg gibt ihnen recht. "Wir haben bisher alljährlich eine Steigerung der Nachfrage verzeichnen können", sagt Haindl. Die Gaststätte ist täglich von 10 bis 24 Uhr geöffnet. Einer der beiden Geschäftsführer ist immer im Haus und jederzeit ansprechbar bei kleineren wie größeren Fragen. Daran halten beide unumstößlich fest, auch wenn diese Präsenz ihren Preis hat. "Einmal nicht mehr sieben Tage die Woche arbeiten, das wäre schon schön", gesteht Haindl. Und auch Lichtenegger räumt ein, dass das Privatleben mitunter ein wenig kurz kommt. Doch beide sind sich ebenso einig, dass sie hier genau in dem Umfeld wirken können, in dem sie tätig sein möchten. Etwas, das sie an ihrem Beruf negativ vermerken würden, fällt beiden nicht ein. Haindl kocht immer noch so gerne wie früher, auch Zuhause. Eine eher kleine Speisekarte garantiert, dass alles frisch zubereitet wird; die Zutaten kommen möglichst aus der Region.

Seit 2012 ist das Klosterbräustüberl Mitglied der "Tafernwirte im Tölzer Land". Eine regionale, frische, bayerische Küche ist das Credo des Hauses. Haindl hat seine Ausbildung im Gasthof zum Wildpark in Straßlach absolviert. "Dort habe ich alles gelernt, was ich brauche, nicht für die Sternenküche, aber für eine bayrische Wirtschaft. Und was ganz wichtig ist: mit den unkalkulierbaren Mengen umzugehen." An einem guten Wochenende verlassen 700 Portionen Schweinsbraten seine Küche, schätzt Haindl. "Und der darf nicht ausgehen!" Bis man wirklich in die Situation hineingewachsen sei, brauche es schon eine ganze Saison, sagt der Koch. "Man muss auch alle Jahreszeiten und alle Wetterlagen einmal erlebt haben, um zu wissen, was auf einen zukommt." Der größte Andrang herrscht naturgemäß im Sommer und im Herbst bei Ausflugswetter. "Aber eigentlich ist bei uns immer etwas los", freut sich Lichtenegger. Wenn es regnet, kommen die einheimischen Gäste, die es vorziehen, nicht in den Touri-Trubel zu geraten. Der 400 Plätze bietende Biergarten bleibt dann zwar weitgehend leer, aber drinnen stehen mehrere Räumlichkeiten zur Auswahl: Das Bräustüberl bietet Platz für 25 Personen, im Klosterstüberl und im Jagdstüberl können bis zu 75 Personen bewirtet werden.

Dort gibt es wunderschöne Kachel- und Kaminöfen, die an einem verregneten, nasskalten Tag auch einmal im August eingeheizt werden und dann eine besonders behagliche Atmosphäre schaffen. Gesellschaften, seien es Hochzeiten oder Geburtstage, buchen ebenfalls zu allen Jahreszeiten. Im Winter führt eine Langlaufloipe direkt bis zum Biergarten, der bei schönem Wetter dann auch öffnet. "Wie auf der Skihütte!", sagt Lichtenegger.

Die Frage, warum so viele bayrische Wirtschaften in den vergangenen Jahren schließen mussten, macht beide nachdenklich. "Ich denke, die Gäste schauen heute schon gezielt, wo sie einkehren, erkundigen sich im Internet oder bei Bekannten. Man muss schon was Gutes anbieten; die Qualität des Essens und beim Service wie das Ambiente müssen stimmen", überlegt Lichtenegger. "Es ist schwer, gutes Personal zu finden", führt Haindl die Überlegungen weiter. "Die langen Arbeitszeiten, kein Wochenende frei: Viele wollen das nicht." Für die alten Bauernwirtschaften kommte hinzu, dass die neuen Auflagen zu große Investitionen erforderten. Und nicht zuletzt: Manch einer meine, er könne eine Wirtschaft betreiben - "und unterschätzt, was es dazu alles braucht."

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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