Rilke-Geliebte Salomé:Der kleine Stern im Fensterladen

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Das Ickinger Gymnasium soll künftig nach Rainer-Maria Rilke benannt werden - die Schüler machten sich daher auf die Spuren der Rilke-Geliebten Lou Andreas-Salomé.

Elisa Linseisen

Es war eine "heiße Liebesgeschichte", erzählt Edgar Frank, Germanist und Spezialist für Rainer Maria Rilke, den Schülern der elften Klasse des Gymnasiums Icking. Sie beschäftigen sich zum 150.Geburtstag der berühmten Schriftstellerin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé am 12. Februar mit deren Leben und ihrem Liebesverhältnis zum Dichtermeister Rainer Maria Rilke.

Lutzvilla: Die Wirkungsstätte von Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nach einer Einführung durch Bürgermeister Helmut Forster hat ein Vortrag von Edgar Frank im historischen Rathaussaal von Wolfratshausen die Schüler intellektuell vorbereitet, wie Hans Härtl, Direktor des Gymnasiums Icking, sich ausdrückte.

Anschließend macht sich die Klasse der Oberstufe auf zu der am Bergwald liegenden Lutzvilla. Ein Bronzeschild bezeugt die Zusammenkunft des Liebespaares Rilke und Salomé in Wolfratshausen von Juli bis Oktober 1897. Experte Edgar Frank weiß es genauer: Nur einen Monat verbrachte das Dichterpaar in dem Häuschen am Eichheimweg, die restliche Zeit zog es sich in ein Bauernhaus in der Nähe zurück.

Salomé sei eine "Superfrau" gewesen, "sexy würde man heute sagen", schwärmt Frank. Nicht nur der 14 Jahre jüngere Rilke verfiel der schönen Intellektuellen, auch der Philosoph Friedrich Nietzsche sei "total verliebt" gewesen. Doch die Frau schwor schon als junges Mädchen, sich ihre Unabhängigkeit von Männern zu bewahren. Erst als der Orientalist Friedrich Carl Andreas sich ein Messer an die Brust setzte, um ihr Ja-Wort zu erzwingen, gab sie nach. Die Ehe, die sie führten, beschränkte sich jedoch auf ein platonisches Verhältnis, "sie schliefen neben- und nicht miteinander", sagt Frank.

Rilke sei, als er Lou bei dem Schriftsteller Jakob Wassermann im Mai 1897 kennenlernte, ein "Student mit literarischen Ambitionen" gewesen, doch noch lange kein "großer Dichter", so Frank. Die gemeinsame Zeit in Wolfratshausen habe daher einen großen Einfluss auf seine literarische Entfaltung gehabt.

Die poetischen Schöpfungen, unter anderem die Novellensammlung und die Christus-Visionen, seien nicht nur ein "Zeugnis seiner Liebe", sondern ein "Zeugnis seiner dichterischen Entwicklung", bemerkt Frank. Der Schaffenssprung werde deutlich an einem Liebesgedicht an Lou vom 25. Juli 1897. Erstmals sei darin der typische "Rilke-Sound" deutlich geworden, so Frank.

Direktor Härtl weiß, was die Schüler an Rilke interessiert: "Die Liebesgeschichte" sei es, welche sie fessle, nicht die Elegien oder die Sonette an Orpheus.

Er sieht den Geburtstag von Salomé als eine gute Möglichkeit, den künftigen Namen des Ickinger Gymnasiums - Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium - bei den Schülern einzuführen. Die Schule docke an die Biografie Rilkes an, habe aber noch andere Bezugspunkte zum Dichter, wie die humanistische Ausrichtung des Gymnasiums. "Ab sofort sind wir also zuständig für Rilke", sagt Deutschlehrer Peter Plößl.

Die Schüler der elften Klasse sind sich dieser repräsentativen Aufgabe bewusst. Interessiert folgen sie dem Vortrag. Lisa Kirchhoff findet es sehr wichtig, als Schülerin eines Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums über den Dichter Bescheid zu wissen. Auch der Schulalltag sei vom Schaffen des Poeten geprägt. "Wir tanzen zum Beispiel zum Gedicht 'Karussell' im Sportunterricht."

Beim Betrachten der Lutzvilla achten die Schüler vor allem auf die kleinen Stern-Stanzungen im dunklen Holz der Fensterläden. Als Lou verreist war, sendete Rilke ihr eine Postkarte mit nichts als einem weißen Stern auf schwarzem Hintergrund. Ein Symbol: Sobald das Liebespaar seine Ruhe haben wollte, erzählt Frank, schloss es die Fensterläden. Das Zimmer sei dann ganz finster gewesen, und nur durch den kleinen Stern im Fensterladen funkelte Licht herein.

© SZ vom 12.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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