Pfingsten in der Klosterkirche:Mit allem Prunk der Spätromantik

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Stimmpracht und Instrumentenglanz: Wolfgang Antesberger führte Chor und Orchester der Münchner Hofkantorei höchst differenziert. (Foto: Hartmut Pöstges)

Münchner Hofkantorei beeindruckt mit Werken von Anton Bruckner bei Festmesse in Schäftlarn

Von Reinhard Szyszka, Schäftlarn

Anton Bruckner - neun großartige Sinfonien und drei nicht minder prachtvolle Messen bringt der Musikfreund mit diesem Namen in Verbindung. Und doch: So wie der ersten Sinfonie eine Nullte vorausging, so gab es auch Messkompositionen vor der "offiziellen" ersten Messe, Werke außerhalb des Kanons, vom Meister selbst nicht als vollgültig anerkannt. In der Klosterkirche Schäftlarn bot sich am Pfingstmontag Gelegenheit, solch eine frühe Bruckner-Messe zu hören.

Die Kirche platzte vom Besucherandrang her aus allen Nähten, und obwohl alles an Stühlen und Bänken herbeigeschafft wurde, was nur verfügbar war, mussten doch mehrere Zuhörer stehen. Die besondere Kirchenmusik am Pfingstmontag hat in Schäftlarn eben Tradition und zieht Interessierte aus nah und fern an. Und für solch musikalische Kostbarkeiten nimmt man gerne anderthalb Stunden Stehen in Kauf. Die Münchner Hofkantorei ist ein Chor, der sich aus Mitgliedern der Bayerischen Staatsoper zusammensetzt. Durchwegs geschulte Stimmen also, was man natürlich hörte. Die Soprane und Tenöre schmetterten in den höchsten Lagen noch mit Bruststimme, wo sich normale Laienchorsänger längst in die Kopfstimme zurückziehen müssten. Für hochromantische Musik wie Bruckner passt dieser Stil glänzend, die Münchner setzten ihre stimmlichen Mittel auch weidlich ein.

Zum Einzug gab es Bruckners Vertonung des 150. Psalms zu hören, ein Spätwerk. Dirigent Wolfgang Antesberger gestaltete die Komposition höchst differenziert, nahm Chor und Orchester zurück, wo es geboten war, um an anderen Stellen umso mehr mit Stimmpracht und Instrumentenglanz zu prunken. Für den Einzug zu einer Messe war das Stück mit fast zehn Minuten Dauer überlang.

Die Messvertonung selbst, die den Gottesdienst durchzog, war eine Missa solemnis in b-Moll, die Bruckner im Alter von 30 Jahren geschrieben hatte. Das Werk zeigt den Komponisten auf der Höhe der katholischen Kirchenmusik seiner Zeit. Das sanft bewegte Kyrie, die dramatische Zuspitzung beim Crucifixus, das ruhige und ausgeglichene Sanctus - Bruckner hatte sein Handwerk gelernt. Was noch fehlt, ist das Außerordentliche, eben das, was die Messe über die Werke der Zeitgenossen hinausheben würde. Der Komponist war sich dessen bewusst, und auch beim Gottesdienst in Schäftlarn wurde dies immer wieder deutlich.

Die Liturgie brachte es nämlich mit sich, dass die Messvertonung an mehreren Stellen mit späteren Bruckner-Kompositionen abwechselte. Der 150. Psalm zum Einzug wurde schon erwähnt; später folgten noch die bekannten Motetten "Locus iste" und "Ave Maria". Und diese Werke zeigen auf kleinstem Raum eine solche harmonische Vielfalt, eine derartige Originalität in der Stimmführung, wie es die frühe Messe eben noch nicht bietet. A-cappella-Gesang ist zwar nicht gerade die Spezialität der Münchner Hofkantorei; als echte Profis meisterten sie jedoch auch diese Aufgabe mit Bravour.

Während der Kommunion gab es weitere, diesmal instrumentale Bruckner-Werke zu hören: ein Aequale für drei Posaunen, von den Bläsern der Staatsoper sehr nobel und kultiviert gestaltet, sowie ein Orgel-Präludium. Der grandiose Organist und Orgel-Improvisator Bruckner hat kaum etwas für sein ureigenstes Instrument geschrieben, und selbst dieses Präludium ist in seiner Echtheit umstritten.

Zum Auszug eine weitere Bruckner-Motette: "Afferentur Regi" für Chor und drei Posaunen. Auf dem kleinen Beiblatt, das in der Kirche auslag, waren alle Bruckner-Werke mit ihrer Nummer im Werkverzeichnis aufgelistet, und man sah, dass diese Motette dort die Nummer eins trägt. Wer daraus freilich schließt, hier die allererste Komposition Bruckners vor sich zu haben, der irrt sich: das Werkverzeichnis führt zuerst die Motetten auf, in alphabetischer Reihenfolge. Und da steht "Afferentur Regi" eben vornean.

Die Organistin Catharina Seidel beendete den Gottesdienst mit der bekannten F-Dur-Toccata von Charles-Marie Widor, stilistisch nicht restlos zu Bruckner passend, aber in jedem Fall ein schwungvoll-optimistischer Ausklang eines eindrucksvollen Musikmorgens.

© SZ vom 06.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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