Oberhaching:Das nächste Loch

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Kein Durchkommen: Die Münchner Straße in Oberhaching ist für Monate eine Baustelle. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Sperrung der Oberhachinger Ortsdurchfahrt trifft auch Pendler aus Dietramszell

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Für den Termin war es viel zu spät. "Tut mir leid, aber jetzt ist der nächste Patient dran, Sie müssen pünktlich kommen", ermahnte die Arzthelferin. Wem hilft es, wenn er aus Oberhaching kommt. "Ich habe mehr als eine halbe Stunde nach Taufkirchen gebraucht. Bei uns ist im Moment alles dicht", begründet die Frau aus der Nachbargemeinde ihr Zuspätkommen. Genützt hat ihr der Hinweis auf die äußeren Umstände freilich nichts. Gegen Stau ist man machtlos. Und so geht es derzeit nicht nur vielen, die von Unterhaching und Taufkirchen Richtung Süden oder unterwegs sind. Sondern auch den Autofahrern, die von Dietramszell Richtung München wollen. Spätestens in Furth ist Schluss. Denn dort ist die Münchner Straße gesperrt. Und ganz Oberhaching steht mal wieder im Stau.

Das wird auch die nächsten vier Monate so sein, denn so lange wird die Hauptdurchgangsstraße saniert. Derzeit wird zwischen der Badstraße und der Kreuzung Holzstraße alles aufgerissen, altes Kopfsteinpflaster herausgeholt, Fahrbahn, Rad- und Fußweg neu gestaltet und am Schluss mit Flüsterasphalt versehen. Dann soll zwar alles besser, schöner und leiser sein - aber das dauert eben. "Die Leute meinen immer das geht alles in zwei Monaten, doch wir haben erhebliche Umweltauflagen, müssen alles Zentimeter um Zentimeter abtragen", sagt Bürgermeister Stefan Schelle (CSU). Es ist nun schon der zweite Sommer, in dem ihn der Unmut seiner Bürger wegen der Großbaustelle trifft. Vergangenes Jahr wurden die Leitungen in der gesamten Münchner Straße verlegt, jetzt steht der Umbau des Nordabschnitts mit zwei Bauphasen auf dem Programm des Staatlichen Bauamts. Denn auch der Kreuzungsbereich an der Holzstraße wird im August und September umgebaut. Fertig ist die neue Ortsdurchfahrt danach aber noch immer nicht. Kommendes Jahr muss noch der südliche Abschnitt bis zur Lanzenhaarer Straße erneuert werden. Dann heißt es noch einmal Sperrung, Lärm, Staub und kilometerlange Staus.

Dass die Situation aus dem vergangenen Sommer bekannt ist, macht es aber nicht besser. Laut Schelle bleibt die Aufregung die gleiche. "Wir wissen aber, dass die jetzige Sperrung schlimmer ist als beim südlichen Teilstück, obwohl der dort betroffene Streckenabschnitt wesentlich länger ist", sagt der Bürgermeister. Als neuralgischer Punkt gilt die große Doppelkreuzung bei der Firma Kibek, wo die Staatsstraße 2368 aus Richtung Taufkirchen, die Kreisstraße M 11 nach Grünwald und die Autobahn-Auffahrt auf die A 995 zusammentreffen. Hier geht vor allem in Zeiten des Berufsverkehrs nichts mehr. Aus dem Isartal ist die Strecke immer stark frequentiert. 21 000 Fahrzeuge am Tag sind die Regel. Jetzt kommen noch die Oberhachinger dazu, die sonst über die Münchner Straße fahren. Dass die eigentliche Umleitung über Sauerlach nach Taufkirchen führt, hilft da wenig, wenn viele sie nicht nutzen. "Es ist Chaos, aber es gibt keine Alternative zur Sperrung", sagt Schelle. Er sei in der Sache auch nur der Bote, zuständig sei das Staatliche Bauamt Freising. Den Hinweis hat die Gemeinde auf ihrer Webseite veröffentlicht, und für Beschwerden gleich die Telefonnummer der Sachbearbeiter dazu geschrieben.

Stephan Leipnitz bekommt daher täglich jede Menge Anrufe aus Oberhaching. "Viele beklagen sich, die meisten sind aber einsichtig, dass es nicht anders geht", sagt er. Manche Bürger hätten durchaus auch Anregungen zur Verbesserung der Verkehrssituation gegeben. Eine veränderte Ampelschaltung etwa sei umgesetzt worden oder die Baustellenampel in Lanzenhaar, wo die Umleitung auf die B 13 führt. Allerdings war die Lichtanlage in der Nacht zum Dienstag - vermutlich von einem wütenden Autofahrer - umgeworfen worden. Die Folge war noch mehr Stau am nächsten Morgen. Jetzt funktioniert die Ampel wieder, laut Leipnitz schaltet sie nun um 22 Uhr auf Warnblinklicht um, damit keiner mehr unnötig nachts im Wald an der roten Ampel steht.

Verärgert über die Dauerbaustelle sind nicht nur die Autofahrer. Auch bei den Geschäftsleute entlang der Münchner Straße liegen die Nerven blank. Dem Bürgermeister ist wichtig zu betonen, dass man weiterhin zu jedem Geschäft kommt. Er hat auch entsprechende Hinweise an den Ortseingängen aufstellen lassen. Dennoch lassen sich viele Kunden von den Umleitungen und Verkehrsbehinderungen abschrecken und bleiben weg. "Es ist eine Katastrophe", sagt Tanja Clement, die den kleinen Secondhand-Laden mit Lotto-Annahme betreibt. "Wer kauft schon mitten in einer Baustelle Bekleidung ein?" Die Leute seien verärgert und gestresst, und das nun schon im zweiten Sommer. Gerade hätte sich wieder Stabilität im Geschäft eingesellt, "jetzt kommt das nächste Loch."

Genauso geht es Raoul Perez von der Bäckerei mit Café gegenüber der Tankstelle. "Die Leute fahren keinen Umweg wegen einer Brezn", sagt er, "das ist zu unbequem, die gehen woanders hin." Machen könne er da nichts. "Ich habe keine Chance", sagt er. 10 000 Fahrzeuge pro Tag fahren an normalen Tagen über die Münchner Straße. Jetzt, schätzt Perez, seien es vielleicht noch tausend. "Der Umsatz ist um die Hälfte eingebrochen", klagt auch der Betreiber der Freien Tankstelle, Georg Schuster. Ihm wäre lieber gewesen, die Straße sei nur halbseitig gesperrt worden. Damit hätte man leben können. Er befürchtet: "Kunden, die verloren sind, kommen nicht mehr."

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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