Neonazi-Kameradschaft in Geretsried:Böses Blut und rechte Ehre

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Die Kameradschaft "Jagdstaffel D.S.T." pflegt Kontakte zum verbotenen Netzwerk "Blood and Honour". Das Innenministerium will dafür aber keine Anhaltspunkte erkennen.

Frederik Obermaier

Etwa zehn Personen, gewaltbereit, einschlägig bekannt und rechtsextrem: Recht viel mehr Informationen gibt das bayerische Innenministerium über die Geretsrieder Neonazi-Kameradschaft "Jagdstaffel D.S.T." - wie berichtet - nicht heraus. Aus Geheimhaltungsgründen, wie es heißt.

Gewaltbereit und rechtsextrem: Die Kameradschaft "Jagdstaffel D.S.T." pflegt offenkundig Kontakte zum verbotenen "Blood and Honour"-Netzwerk. (Foto: dpa)

Denn die Neonazis aus dem Raum Geretsried/Wolfratshausen und München werden vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet. Zu den Mitgliedern der "Jagdstaffel", die einander nur mit ihren Spitznamen anreden, gehört mindestens ein verurteilter Rechtsradikaler.

Gegründet wurde die Neonazi-Kameradschaft 2009 - der Verfassungsschutz nennt Silvester als Gründungstag. Dabei wurden die Männer bereits im Sommer 2009 auf mehreren Neonazi-Veranstaltungen in Bayern gesehen. Das Innenministerium beharrt darauf, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die "Jagdstaffel" dem seit 2000 in Deutschland verbotenen Netzwerk "Blood & Honour" nahesteht. Ein Blick auf die Mitglieder der Neonazi-Kameradschaft zeigt jedoch das Gegenteil:

"Nik" alias "BBQ"

Der "Jagdstaffel"-Mann "Nik", der sich auch "BBQ" nennt, hatte erstmals mit etwa 16 Jahren Kontakt mit der rechtsextremen Terrorgruppe "Kameradschaft Süd". Er sei da halt so "reingerutscht", sagt er später vor Gericht, fasziniert habe ihn die "Kameradschaft" und die Waffen: Dominik B., wie "BBQ" im echten Leben heißt, investierte seine ganzen Ersparnisse in Wurfsterne und Macheten, Maschinengewehre und Revolver sowie mehrere Tausend Schuss Munition. Eine Kalaschnikow samt zwei vollen Magazinen lieh Dominik B. im Jahr 2003 dem selbst ernannten Führer der "Kameradschaft Süd", Martin W. Der wurde später wegen eines geplanten Anschlags auf das Jüdische Gemeindezentrum in München verurteilt. Dominik B. kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Jugendrichter glaubten ihm, dass er der Neonazi-Szene abgeschworen habe und sich künftig der Natur widmen wolle - den "Waldameisen", wie B. 2006 beteuerte.

Tatsächlich jedoch gehört der gelernte Koch aus Grünwald zur 2009 gegründeten "Jagdstaffel D.S.T.", die sich anfangs "Jagdstaffel Süd" nannte. Sie wird vom Innenministerium als "gewaltbereite neonazistische Gruppierung" eingestuft. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung betreut B. die Homepage der "Jagdstaffel". Bis vor wenigen Tagen noch luden dort im Gästebuch Rechtsextreme zum "Day of Honour" nach Ungarn. Bei dem Treffen von Rechtsradikalen aus ganz Europa zählen "Blood & Honour"-Mitglieder zu den Stammgästen. Das "Jagdstaffel"-Gästebuch war bereits am Donnerstag nicht mehr im Internet einzusehen.

Den 29 Jahre alten Dominik B. zeigen Fotos derweil vor einem Banner mit "Blood & Honour"-Logo. Das Symbol zu zeigen, ist in Deutschland illegal. Aufgenommen wurde das Bild vermutlich in Slowenien. Ein anderes Mal ließ sich B. mit "Support 28"-T-Shirt fotografieren: Es ist ein deutliches Bekenntnis zu "Blood & Honour", in rechtsextremen Kreisen gerne abgekürzt mit "B & H". 2 und 8 steht dabei für die Reihenfolge der Buchstaben "B" und "H" im Alphabet.

"Saccara"

Den Totenkopf als Tattoo auf dem rechten Oberarm, die Pfeife im Mund, die Brille auf der Nase: "Saccara" gehört im derzeit abgeschalteten Gästebuch der "Jagdstaffel" zu den Wortführern der Neonazi-Kameradschaft. Bei Neonazi-Treffen trägt er stolz die typische Kluft der "Jagdstaffel": eine schwarze Lederweste mit einem aufgenähtem Flugabwehrgeschütz auf dem Rücken. Das Kaliber der abgebildeten Kanone dürfte nicht zufällig 88 Millimeter sein: "88" ist unter Rechtsextremen der Code für den verbotenen Nazi-Gruß "Heil Hitler".

"Buckl"

Er ist etwa 25 Jahre alt, TSV-1860-München-Fan und lebt in Geretsried: Mehr ist über den "Jagdstaffel"-Mann, der auf einer internen Mitgliederliste "Buckl" genannt wird, nicht bekannt. Vermutlich sind er und Jagdstaffel-Mitglied "InTyrannos" zwei der Männer, die auf der Homepage der Kameradschaft mit Axtstielen und Schlagstöcken bewaffnet posierten. Ihre Gesichter waren unkenntlich gemacht, und nach Berichten der Süddeutschen Zeitung löschte die "Jagdstaffel" das Bild von ihrer Website.

"30"

"30", wie sich das glatzköpfige Kameradschafts-Mitglied mit dem tätowierten Spinnennetz auf dem rechten Ellenbogen nennt, trägt seinen Rassismus demonstrativ zur Schau: "Masterrace", also "Herrenrasse" steht Weiß auf Schwarz auf seinem T-Shirt.

"Simon"

Wer sein großes Vorbild ist, erzählt "Jagdstaffel"-Mitglied "Simon" selbst Fremden gerne: Im Hintergrund die alte Reichsflagge, auf dem Tresen die Bierflasche schwärmt der gelernte Bäcker dann in seiner Geretsrieder Stammkneipe - einem privaten Dartclub - von "unserem Adolf".

"Skelletor"

Roter Kinnbart, Glatze und im Nacken ein in altdeutscher Schrift tätowiertes "D.S.T." für "Deutsch.Stolz.Treu": Das "Jagdstaffel"-Mitglied mit dem "Skelletor"-Namensschild auf der Lederkutte taucht auf zahlreichen Fotos der Geretsrieder Neonazi-Kameradschaft auf. Mal marschiert er mit schwarzem Bandana auf dem Kopf und der charakteristischen Flugabwehrkanone auf der Weste beim sogenannten "Heldengedenken" in München, mal hockt er neben Dominik B. in einer Geretsrieder Kneipe beim Bier, mal posiert er vor einem "Blood & Honour"-Banner.

© SZ vom 28.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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