Moschee in Penzberg:Frei wie der Wind

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Beim Jubiläum der Islamischen Gemeinde fühlen sich alle wohl. Die Luftballons tragen die Kunde viele Kilometer weit

Von Pia Ratzesberger, Penzberg

Viel geschlafen hat Benjamin Idriz in dieser Nacht nicht. Erst um zwei Uhr ist er ins Bett gekommen und heute, an diesem Samstag, wird es wohl noch später werden. Der Imam steht am Eingang der Bibliothek, etwas abseits des Geschehens, in der Penzberger Moschee. Doch schon wieder klingelt sein Mobiltelefon in der Sakkotasche. Idriz geht ran, heute darf er keinen Anruf verpassen, nicht an so einem Tag - ein anderer Imam aus München fragt, ob er in Tracht erscheinen soll oder in Zivil.

20 Jahre gibt es die Islamische Gemeinde nun in Penzberg, zehn Jahre steht die Moschee. Für Idriz, der von den ersten Jahren an mit dabei war, Grund genug für ein großes Fest. Er solle kommen, wie er sich wohlfühle, sagt Idriz dem anderen Imam. Ein Satz, der ziemlich gut ausdrückt, wieso die Moschee in Penzberg wohl als so erfolgreich gilt, wieso Politiker sie immer wieder als bundesweites Vorbild betiteln: Wer hierher kommt, soll sich wohlfühlen, egal welcher Nationalität oder Religion er angehört. Ein simples Credo, das doch nicht selbstverständlich ist.

Die Luftballons zum Jubiläum der Moschee in Penzberg flogen bis nach Salzburg. (Foto: Manfred Neubauer)

Im Festzelt sitzt ein älteres Ehepaar auf der Bierbank, seit drei Jahren leben sie in Penzberg - muslimischen Glaubens sind sie nicht und trotzdem kommen sie immer wieder in die Moschee. "Man fühlt sich hier willkommen", sagt der Mann, früher einmal Ingenieurkartograph, heute in Rente. Zum Fastenbrechen etwa habe er mit seiner Ehefrau eine 20-Liter-Schüssel Obstsalat vorbeigebracht - "da kann jeder sich beteiligen, das geht hier alles nicht so streng zu". Lässt man den Blick über die Bänke im Festzelt in der Bichlerstraße schweifen, fällt auf, dass hier schon zu funktionieren scheint, in was sich Deutschland noch übt: Man isst, redet, trinkt, lacht und debattiert gemeinsam. Wer Muslim ist, wer Katholik, wer Deutscher oder wer Türke, ist nicht von Bedeutung.

Draußen, hoch über dem Geschehen, steht auf dem Flachdach der Moschee Dilara Caglar. Sie ist einer von mehr als 1000 Gästen, die an diesem Tag noch in die Moschee kommen werden - zur Rede von Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, zum Konzertabend mit Künstlern aus der Türkei, Bosnien und Mazedonien, zur Grundsteinlegung für das neue Nebengebäude. In ihrer rechten Hand hält die 15-Jährige blaue und rote Luftballons, schon von weitem soll man sehen, dass in Penzberg gefeiert wird. "Ich bin mit dieser Gemeinde aufgewachsen", sagt Caglar und blickt hinüber zu zwei Jungs, die gerade dabei sind, an der Kante des Dachs ihre Ballons zu befestigen. Caglar lebt in Penzberg, etwa einmal die Woche kommt sie in die Moschee - während viele Kirchengemeinden Probleme haben, junge Leute zu erreichen, ist für Caglar die Moschee selbstverständlich auch Treffpunkt. "Wir beten nicht nur gemeinsam, sondern unternehmen auch viel", sagt sie. Ihre gesamte Familie wird später noch dazu kommen, jetzt aber gilt es erst einmal alle Ballons anzubringen.

Benjamin Idriz war dabei, als vor 20 Jahren die Islamische Gemeinde gegründet wurde. Er stammt aus Mazedonien und predigt auch auf Deutsch. (Foto: Manfred Neubauer)

Was Caglar dabei noch nicht wissen kann: Manche der Ballons werden noch einen weiten Weg zurücklegen, weit über Penzberg hinaus wird man von den Feierlichkeiten der Gemeinde erfahren. Bei Imam Idriz klingelt am Sonntagvormittag wieder einmal das Mobiltelefon: eine Mail eines Paares, das am Samstagabend in Köstendorf bei Salzburg spazieren war - und gleich drei der Ballons fand. Darauf geschrieben: "Wir feiern 20 Jahre Islamische Gemeinde."

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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