Mein Europa:Keltische Tigerjahre

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Für Pauline Albers-Mitchell hat Irland von der EU enorm profitiert.

Von Ingrid Hügenell

"Irland ist ein begeistertes Mitglied der EU", sagt Pauline Albers-Mitchell. Sobald es ging, sei Irland beigetreten. 1973 war das, zusammen mit dem Vereinigten Königreich und Dänemark. Es waren die ersten Beitrittsländer der Gemeinschaft, die Zahl der Mitglieder stieg auf neun. Die EU sei für Irland sehr positiv gewesen, sagt die 62-Jährige, die seit etwa 30 Jahren in Penzberg lebt. Die "keltischen Tigerjahre" hätten den Iren erstmals richtigen Reichtum gebracht. Mit Mitteln der Gemeinschaft wurde die Infrastruktur ausgebaut. Die Finanzkrise warf das Land zwar stark zurück, doch Albers-Mitchell sieht es nun wieder auf einem guten Weg.

"Die Iren sind Optimisten", für die Deutschen gelte eher das Gegenteil, sagt die energische Frau, die neben Englisch und Geschichte auch Interkulturelle Kommunikation studiert hat. Ihren inzwischen gestorbenen deutschen Mann lernte sie in Dublin kennen, wo er für Siemens arbeitete. Sechseinhalb Jahre lebten sie in Afrika, dort kamen die ersten beiden der drei Kinder zur Welt. Dann zogen sie nach Penzberg, wo sich Albers-Mitchell inzwischen zu Hause fühlt, auch wenn sie mindestens zweimal pro Jahr nach Irland zu ihrer Familie fliegt.

Ihre Kenntnisse gibt sie zum einen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München an Wirtschaftsstudenten weiter. Zum anderen hat sie eine eigene kleine Firma, mit der sie Geschäftsleute berät, die in globalen Teams arbeiten wollen. Da sei es sehr wichtig, sich auf kulturelle Unterschiede einzustellen. Als einen wesentlichen Unterschied zwischen Deutschen und angelsächsischen Menschen nennt sie, dass die Trennung von Privatleben und Geschäft in Deutschland viel ausgeprägter sei. "In Deutschland steht die Aufgabe im Fokus, in vielen anderen Ländern geht es darum, eine Beziehung aufzubauen zu den Geschäftspartnern." Freundschaften aufzubauen dauere hier länger, sie würden dann aber sehr geschätzt und seien dauerhafter.

Zum anderen seien die Deutschen viel direkter als die Angelsachsen, sagt Albers-Mitchell. "Das ist ein Riesenvorteil. Man versteht, wo man dran ist, und muss nicht raten, was gemeint ist." Beeindruckt ist sie auch von der unglaublichen Ehrlichkeit der Deutschen, die sich nicht nur darin äußere, dass man eben rundheraus sage, was man denke, sondern auch darin, dass man im öffentlichen Verkehr darauf vertraue, das schon jeder ein Ticket kaufen werde. In der Londoner Tube komme man nur durch Schranken überhaupt zu den Bahnsteigen. Auch, dass Zeitungen in offenen Kästen angeboten und offenbar bezahlt werden, findet sie nicht selbstverständlich.

In den gut 30 Jahren, seit sie in Deutschland ist, hätten sich das Land und die Menschen verändert, hat Albers-Mitchell beobachtet: "Es ist lockerer geworden." Durch die Globalisierung, die Medien, die Reisen und Kontakte sei viel mehr Offenheit da als vor 30 Jahren. "Das finde ich sehr schön, angenehm und positiv." Eher als früher duze man sich, auch in Firmen, und Ausländerhass gebe es zwar noch, aber längst nicht mehr in dem Ausmaß wie früher.

Zur Europawahl geht Pauline Albers-Mitchell "selbstverständlich". Sie bedauert, dass sie nicht auch Bundes- und Landtag wählen darf, doch die deutsche Staatsangehörigkeit hat sie nicht angenommen. Die irische aufgeben möchte sie nicht. Denn in Irland sind ihre Wurzeln.

© SZ vom 14.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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