Mein Europa:Ein Gewinn für alle, die hier leben

Lesezeit: 2 min

Ernest Brausch aus Luxemburg hat die europäische Einigung miterlebt.

Von Benjamin Engel

28 Mitgliedsstaaten hat die EU seit der vorerst letzten Erweiterung im Jahr 2013, und gut 507 Millionen Einwohner. Vom 22. bis 25. Mai werden die 751 Abgeordneten des Europa-Parlaments neu gewählt. Die Grenzen sind offen. Im Landkreis leben Menschen aus den meisten Mitgliedsstaaten. Die SZ stellt einige von ihnen vor.

Die Biografie des Luxemburgers Ernest Brausch ist eng mit der Entwicklung der europäischen Einigung verbunden. Als er in der Nachkriegszeit mit seinem Vater an die Mosel und Saar zum Fischen fuhr, war am östlichen Ufer noch "Feindesland". Von dort waren die Deutschen wenige Jahre zuvor militärisch eingefallen und hatten das kleine, zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich eingeklemmte Luxemburg besetzt. "Das ist Vergangenheit, Geschichte", sagt der 70-Jährige, der heute in Münsing lebt.

Denn bald begann Europa zusammenzuwachsen, zunächst wirtschaftlich, dann auch politisch. Luxemburg gehörte 1952 mit Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und den Niederlanden zu den sechs Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Daraus wurde über die Jahrzehnte die EU. Brausch bedauert, dass die europäische Einigung nur in kleinen Schritten vorangeht. Immerhin seien die Grenz- und Zollschranken weitestgehend weggefallen. Er hält die Ängste, die nach der EU-Osterweiterung vor allem auch gegenüber Rumänen und Bulgaren geschürt wurden, für "Quatsch". Wer hierherkomme, wolle auch arbeiten. Jeder bringe seine Kultur mit. Das sei befruchtend und nichts, wovor sich irgendjemand fürchten müsse. Er bleibt dabei: "Dieses Europa ist ein großer Gewinn für alle, die hier leben."

Aus Sicht von Brausch steht die Europäische Union für Völkerverbindung und Frieden. Für ihn gibt es nichts besseres als die EU. Die müsse man hegen und pflegen wie eine Pflanze im Garten, sonst gehe sie ein. Schimpfen lasse sich schnell über die EU, sagt er. Doch wer sich beschwere, solle es erst einmal besser machen.

Brausch fühlt sich selbst als Europäer. Sein größter Wunsch wäre es, einen europäischen Pass besitzen zu können. Aber das werde sich zu seinen Lebzeiten wohl nicht mehr erfüllen. Deshalb werde er mit einem luxemburgischen Pass sterben, einen deutschen hat er nie beantragt und nicht gebraucht.

Von Grenzen ließ er sich nie aufhalten. Mitte der 60er Jahre verließ der gelernte Automechaniker Luxemburg gen Brüssel. Zu eng und konservativ erschien ihm sein Heimatland. "Wenn man mit einem Mädchen zusammensaß und ihm zu tief in die Augen schaute, hieß es gleich, verlassen Sie das Lokal." 1969 kam er nach West-Berlin, arbeitete als Bühnenhandwerker am Theater des Westens, reiste zu Gastspielen auf der ganzen Welt. Von 1980 bis Ende der 90er Jahre war Brausch technischer Leiter an den Münchner Kammerspielen.

Seine Frau ist Deutsche, sie haben eine Tochter. Luxemburg und Deutschland unterscheiden sich nicht sehr, sagt er. Schließlich sprächen die Menschen beidseits von Mosel und Saar Moselfränkisch und tränken den gleichen Wein.

Auf jeden Fall will Brausch will bei der Europawahl seine Stimme abgeben: "Das ist Bürgerpflicht". Es gelte Flagge gegen die rechten europakritischen Gruppierungen zu zeigen. Mit ihnen gehe es Europa nicht besser.

© SZ vom 19.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: