Kurzkritik:Verzweiflung ohne Larmoyanz

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Ein eingespieltes Team: die Pianistin Maharani Chakrabarti und der Bariton Thomas Gropper. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bariton Thomas Gropper interpretiert Schuberts "Schöne Müllerin"

Von Reinhard Szyszka, Benediktbeuern

"Die meisten jungen Sänger verlieben sich zunächst in die Winterreise", erklärte Thomas Gropper, "und die Schöne Müllerin ist auch ganz nett. Erst später kommen sie darauf, was für ein großartiges Werk die Schöne Müllerin doch ist." Für Gropper selbst sind beide Liederzyklen gleichrangige Meisterwerke, die er selbstverständlich seit Jahren im Repertoire hat. Am Freitag sang der Bariton - auf einigen Plakaten irrtümlich als Tenor angekündigt - die Müllerin im Allianzsaal des Klosters Benediktbeuern. Der kleine Raum war nur zur Hälfte gefüllt.

Gropper begann den Abend mit kenntnisreichen Erläuterungen zum Werk, frei und locker vorgetragen. Der Textdichter Wilhelm Müller, so die Kernaussage, hatte die Gedichte in einen ironischen Kontext gestellt; Franz Schubert aber hatte diese Ironie fortgelassen und die Geschichte ernst genommen. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Gropper im gesanglichen Teil des Abends die ironische Intention Müllers im Hinterkopf behielt. Selbst bei den wildesten Verzweiflungsausbrüchen umspielte ein leises Lächeln die Lippen des Sängers. So vermied er es, gegen Ende des Zyklus gänzlich in Larmoyanz zu versinken und hielt eine wohltuende Distanz zum tragischen Geschehen.

Die indische Pianistin Maharani Chakrabarti arbeitet seit Jahren mit Thomas Gropper zusammen, und die beiden bilden ein perfekt eingespieltes Duo. Der Sänger gestaltete den Liederzyklus mit flexibler, in allen Lagen ausgeglichener Stimme, klar artikuliert, aber ohne übertriebenes Konsonanten-Spucken. Musikalische Linien, weit gespannte Legati und dynamische Kontraste hatten Vorrang vor überdeutlicher Textdeklamation. Die erprobte Symbiose mit der Pianistin ermöglichte es Gropper, die Stimme an manchen Stellen zum äußersten Pianissimo zurückzufahren, ohne fürchten zu müssen, vom Klavier übertönt zu werden. In anderen Passagen ließ er seinen Bariton metallisch aufstrahlen und zeigte, über welche stimmlichen Reserven er verfügt.

Maharani Chakrabarti erwies sich als ebenbürtige Partnerin des Sängers und meisterte den anspruchsvollen Klavierpart mühelos. Dass sie sich ausgerechnet beim letzten Akkord vor der Pause verspielte und den "richtigen" Akkord dann schnell mit einem Lächeln hinterherschob, nahm ihr niemand im Publikum übel.

Am Ende galt der verdiente Applaus beiden Künstlern, und obwohl die Geschlossenheit des Zyklus eigentlich eine Zugabe verbietet, bedankten sich Gropper und Chakrabarti mit dem Schubert-Lied Frühlingsglaube.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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