Konzertkritik I:Die zwei Saiten der Heimat

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Mit dem erfahrenen Pianisten Eric Schneider war Nachwuchssänger Michael Daub in den besten Händen. Beide agierten als gleichberechtigte Partner. (Foto: Manfred Neubauer)

Der junge Bariton Michael Daub begeistert das Publikum bei den "Iffeldorfer Meisterkonzerten". In seinem Liederabend stellt er die Komponisten Robert Schumann und Hanns Eisler gegenüber

Von Sabine Näher, Iffeldorf

Egbert Greven, dem letzte Woche verstorbenen Begründer der Iffeldorfer Meisterkonzerte, war dieser Abend gewidmet, wie die künstlerische Leiterin Andrea Fessmann sichtlich berührt verkündete. Greven hätte sicher seine Freude gehabt, denn hier stand ein ganz junger Sänger auf der Bühne, der derzeit noch unbekannt, sicher eine große Zukunft haben wird. So war er trotz seiner Jugend (2012 machte der Saarländer Abitur, erst seit 2014 studiert er Gesang) am richtigen Platz. Denn die Liedinterpretation ist die größte sängerische Herausforderung. Und Daub erwies sich als absolutes Lied-Talent an diesem Abend unter dem Titel "Aus der Heimat".

Seine sehr schön timbrierte Stimme, seine sympathische Ausstrahlung und die hervorragende Gesangstechnik sind beste Voraussetzungen, würden aber nicht hinreichen. Hinzu kommen muss die Fähigkeit, den Erzählton des Liedes zu treffen. Und das gelang dem jungen Bariton bei den Liedern Hanns Eislers deutlich besser als bei denen Robert Schumanns. Zu betonen ist aber, dass der Gesangspart bei Eisler sehr viel deklamatorischer angelegt ist, was es erleichtert, den Erzählduktus zu finden. Eine Kunst bleibt es gleichwohl. Und Daub beherrscht sie bewundernswert.

Bei Schumann ist der Erzählton dagegen inmitten der sehr viel gesanglicheren Linien zu finden. Da konnte der Saarländer noch nicht durchgängig überzeugen, geriet ihm manches zu opernhaft. Doch noch einmal sei es gesagt: Er hat die allerbesten Anlagen - und noch ausreichend Zeit, sich zu vervollkommnen. An seiner Seite wirkte Eric Schneider, ein Pianist, der sich seit einem Vierteljahrhundert der Liedinterpretation verschrieben hat, der viele junge Sänger formte und bei dem Daub folglich in den besten Händen ist.

Von einem Lehrer-Schüler-Verhältnis war gleichwohl nichts zu spüren. Als gleichberechtigte Partner standen beide auf der Bühne. Alles andere hätte den künstlerischen Erfolg des Abends auch nur beeinträchtigt. Das Programm war mehr als ungewöhnlich, setzte es doch Lieder Schumanns und Eislers in permanenten Wechsel.

Der Romantiker Schumann (1810- 1856) gilt als einer der bedeutendsten Liedkomponisten. Er war selbst Pianist und fand eine besondere Verbindung zwischen Klavier und Stimme, die beiden Interpreten alles abverlangt. Hanns Eisler (1898-1962) ist insbesondere durch seine Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht bis heute bekannt; sein übriges Werk kommt kaum zum Zuge. Der Wahrnehmung seines Schaffen im Westen war nicht eben förderlich, dass der überzeugte Kommunist mit jüdischen Wurzeln nach dem Exil in den USA 1949 in die DDR ging. So sind seine Lieder bis heute kaum zu hören.

Schon daher bot der Liederabend in Iffeldorf etwas Besonderes. Schumann zeigt durch die Augen Eichendorffs, Goethes, Rückerts oder Geibels zumeist eine sichere, heimelige Heimat, die schöne Assoziationen hervorruft. Eisler dagegen schaut darauf aus dem Exil und sieht eine gefährliche, bedrohte Heimat. Seine Gefühle schwanken zwischen nostalgischer Erinnerung, Angst und Ablehnung. Dies schafft, zusätzlich zu den völlig verschiedenen Tonsprachen der beiden Komponisten, einen starken Kontrast.

Dass der Wechsel zwischen beidem im Minutenabstand erfolgte, war eine Herausforderung. Ob größere Blöcke, die ein tieferes Eintauchen in die jeweilige musikalische Welt ermöglicht hätten, die bessere Wahl gewesen wären oder ob das ständige Wiederherausreißen aus der eben gefundenen Stimmung stärker wirkte, werden die Zuhörer unterschiedlich erlebt haben.

Ein spannendes, ungewöhnliches Erlebnis bot der Abend allemal. Bei Eisler und Brecht berührten gerade die banalen Alltagsbetrachtungen - da wird in "Vom Sprengen des Gartens" dem Unkraut zugestanden, dass es Durst habe. Bei Schumann traf Daub den dramatisch aufgeladenen Balladenton, etwa in "Belsazar", besser als den lyrischen. Sehr schön die Gegenüberstellung der Vertonung desselben Textes Eichendorffs "In der Fremde", durch beide Komponisten. Auf jubelnden Beifall und Bravorufe folgen zwei Zugaben: Heines ironisches "Ein Jüngling liebt ein Mädchen" aus Schumanns "Dichterliebe" und Goethes "Flohlied". Ein Kabinettstückchen - aber von Beethoven. Der fällt dem Programm völlig aus dem Rahmen.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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