Konzertkritik:Eine Wundertüte

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Die Gitarre und viel mehr: Ardhi Engl ist Multi-Instrumentalist, er entlockt auch Alltagsgegenständen Musik. (Foto: Hartmut Pöstges)

Engl und Brustmann beim Flussfestival

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Spätestens bei der dritten Zugabe ist es offensichtlich: Da haben sich zwei gefunden, die eine unbändige Lust am Spielen vereint. Josef Brustmann steht breitbeinig in seiner hautengen schwarzen Jeans auf der Flussbühne, schwingt einen fluoreszierenden Gummischlauch wie ein Lasso über seinen Kopf und trötet die Melodie von "Amazing Grace" hinein; neben ihm sitzt stoisch Ardhi Engl, der sich noch einmal die Nasenflöte umgeschnallt hat, und beschwört mit Hilfe eines kleinen Handventilators, den er über die Saiten seiner Gitarre sausen lässt, ein ganzes Mandolinen-Orchester herauf. Das Publikum jubelt.

In den vorangegangenen zweieinhalb Stunden haben Brustmann und Engl ihren etwa 300 Gästen einiges an Flexibilität abverlangt. Der Ickinger Musik-Kabarettist und der virtuose Münchner Instrumenten-Erfinder haben sich vor einigen Jahren beim Tölzer Käsefestival kennengelernt und Gefallen aneinander gefunden. Ausgangspunkt ihres Programms "Liebe, Leben, Tod und Teufel" ist die Tatsache, dass die Wurzeln des einen in Süd-Mähren, die des anderen in West-Sumatra liegen - beste Voraussetzungen also für eine spannende Annäherung.

Gleich zu Beginn gibt es einen solchen Moment, wenn Brustmann beherzt in die Zither greift und ein Lied vom Zeiserl anstimmt, während Engl den "Stangerlbass" - seine bekannteste Instrumenten-Rückzüchtung neben der "Möbelum-Harfe" - röhren lässt und eine Begrüßung auf Indonesisch grummelt. Gerne folgt man ihm auch auf der Spurensuche nach seinem Vater nach Südostasien: Harfe, Loop und Flöte treiben eine tropische Brise über die alte Floßlände, für ein paar magische Sekunden ziehen statt der Loisach unendliche Reisfelder an einem vorbei. Dann eine Zäsur: Brustmann liest aus seinen Familienerinnerungen, skizziert einen Vater, der neun Kinder und unzählige (Ur-)Enkel in die Welt gesetzt hat, aber "immer Einzelkind geblieben" ist.

Poetische Zeilen kontrastieren mit flotten Sprüchen und Isarauen-Nostalgie, für Kalauer ist ebenso Platz wie für eine nüchterne Betrachtung der Geschichte Waldrams. Was der neue, nachdenkliche Brustmann noch immer bestens beherrscht: den Kontakt zum Publikum aufnehmen, es zum Klatschen, Lachen und Mitsingen bringen. Dazwischen spielen er und Engl, was ihnen Laune macht, einen Beatles-Song für Zither und Dan Bau oder ein irisches Hochzeitslied mit chinesischem Intro. Das ist eine Menge - und die Schwäche des Programms: In der schieren Fülle verliert sich der rote Faden.

Der Abend gleicht einer prall gefüllten Wundertüte: Nicht alles, was darin ist, trifft jedermanns Geschmack, doch jeder nimmt einen kleinen Schatz mit nach Hause. Engls hinreißend-absurde "Ballade für die Kleiderbügelharfe" zum Beispiel und die Erkenntnis: "Leider, leider bügelt der Kleiderbügel keine Kleider. Sehr sehr leider."

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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