Konzertkritik:Aller Fesseln entledigt

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Judith Geißler (Harfe) und Angelika Weber (Hackbrett) bei ihrem Auftritt in der Geretsrieder Petruskirche. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das "Duo Via Corda" spannt mit Harfe und Hackbrett einen weiten Bogen

Von Sabine Näher, Geretsried

Ein Hackbrett und eine Harfe lassen üblicherweise die Darbietung von Volksmusik erwarten. Doch das erste Stück, das Angelika Weber und Judith Geißler am Sonntag in der Geretsrieder Petruskirche anstimmen, demonstriert, dass die beiden andere Pfade einschlagen wollen. "Fantasie" heißt Webers Eigenkomposition. Die Harfe eröffnet sie mit großen, kühnen Aufschwüngen. Sie verkünden Freiheit und lassen spüren, dass sich hier jemand aller Fesseln entledigen will.

Kennengelernt haben sich die Musikerinnen beim Studium am Münchner Richard-Strauss-Konservatorium, das mittlerweile in die Musikhochschule integriert wurde. Da beide neben der klassischen Ausbildung Volksmusik als Wahlfach belegten, damit aber die einzigen ihres Jahrgangs waren, mussten sie "zwangsläufig ein Duo werden". Als klangvollen Namen wähtlen sie Duo Via Corda.

Alte Musik, Neue Musik, Folklore - einen bunten Strauß kündigt Geißler an, passend zum eben erwachten Frühling. Die Kirche ist trotz Biergartenwetter erstaunlich gut gefüllt; die letzten Strahlen der Abendsonne tauchen den Altarraum in ein warmes, goldenes Licht. Eine Atmosphäre, die Ruhe und Frieden ausstrahlt und bestens zur musikalischen Darbietung passt. Mehrere irische Stücke sind im Programm. Ein Traditional, "She rose and let me in", weckt Bilder von Elfen, Burgruinen und grünen Wiesen vor dem inneren Auge.

Webers Erläuterungen zur Geschichte des Hackbretts holen die Träumenden zurück. Eine Blütezeit habe das Instrument im Barock erlebt. Aus dieser Zeit stammt das folgende Werk, eine Sonate Angelo Contis. Ein höchst virtuoses Hackbrett bestreitet den ersten Satz. Mit weicheren Schlägeln gewinnt der zweite Satz einen völlig anderen Charakter, so sanft und verhalten, dass sich das Vogelkonzert von draußen einmischen kann. Bewegt übertönt der dritte Satz die Amsel.

Weiter zurück in die Musikgeschichte führt Weber darauf, indem sie demonstriert, wie man in vorbarocker Zeit das Hackbrett mit Rabenfedern und auf die Finger gesetzten Federkielen spielte. Das erzeugt einen sehr eigenen, zarten Klang, bei dem die Saiten nicht so präzise ansprechen wie bei der modernen Spielweise. Der von George Bizet für Querflöte und Gitarre geschriebene "Entr'acte" bringt mit höchst virtuosen, flirrenden Klängen etwas spanisches Flair. "Nataliana" für Solo-Harfe von Deborah Hanson-Conant erweist sich als tiefgründiges Werk, das zarte Melancholie verströmt. Passend zum Wetter verbreitet der "Mai-Groove" von Christoph Pampuch ein "Schmetterlinge-im-Bauch"-Gefühl, ein freudiges Kribbeln.

Bevor die Emotionen überborden, gibt's wieder eine kleine Lektion, diesmal Instrumentenkunde. Die Harfe hat 47, das Hackbrett 137 Saiten. Geißler demonstriert, wie sie dennoch mithilfe der Pedale alle Töne spielen kann. Übrigens immer nur mit den Fingern, "höchstens mit Hornhaut oder Blasen", während Weber ein ganzes Sortiment von Schlägeln zur Verfügung hat, die für verschiedene Klangwirkung sorgen.

Bei "Ellen Vanin - Lost in the Irish Sea" darf wieder hingebungsvoll geträumt werden. Wie auf Wolken schwebend fühlt sich der Zuhörer, frei, leicht, frohgemut. Um Geißlers Stück "Hubbi" rankt sich eine hübsche Geschichte: So heißt der Wirt eines Gasthofs bei Bad Endorf, den das Duo auf einer Irrfahrt im Nebel fast nicht gefunden hätte. Die Anspannung und Nervosität, sogar das Immer-Wieder-Anhalten sind einkomponiert. Ein vergnügtes Stück, auf das viel Beifall folgt. Ein schwungvoller moldawischer Tanz als Zugabe entlässt das bestens gelaunte Publikum in den Frühlingsabend.

© SZ vom 11.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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