Konzerte:Charmante und intelligente Gestalterin

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Iffeldorfer Meisterkonzerte mit Kristin von der Goltz, Leon Berben, Dorothee Mields und Saskia Fikentscher (v.l.). (Foto: Manfred Neubauer)

Sopranistin Dorothee Mields entzückt das Publikum nicht nur sängerisch. Ein Abend mit Alter Musik und glänzenden Interpreten

Von Sabine Näher, Iffeldorf

Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Meinung weit verbreitet, Händel und dieser ganze barocke Kram sei ein alter Zopf, aus der Mode gekommen, brav und langweilig. Wenn man nun eine junge, Vitalität versprühende Sängerin, eine Oboistin, eine Cellistin und einen Cembalisten erlebt, die mit Feuereifer und leidenschaftlichem Einsatz bei der Sache sind - und die eben diesen alten Kram musizieren, dann wird einem bewusst, wie sehr die Anhänger der historischen Aufführungspraxis, anfangs als Spinner belächelt, die Musikszene verändert haben. Und so war der Saal in Iffeldorf selbstverständlich voll, als am Samstag bei den Meisterkonzerten Werke von Händel und zweien seiner Zeitgenossen auf dem Programm standen.

Andrea Fessmann, die künstlerische Leiterin, hatte dafür Stars der Alten Musik gewonnen, obwohl man in dieser Szene vom Star-Sein eher wenig hält - und lieber die Werke in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Die Sopranistin Dorothee Mields jedenfalls ist deren ideale Interpretin: Sie hat eine klare, schlanke, sehr gut geführte und scheinbar unbegrenzt bewegliche Stimme. Eine intelligente Gestalterin ist sie ebenfalls. Dass sie zudem eine zauberhafte Ausstrahlung hat, kommt als i-Tüpfelchen hinzu. Und so ist es eine Wonne, ihr zuzuhören, übrigens auch, wenn sie spontan moderiert. "Ich sehe gerade, Sie haben gar keinen Text? Darf ich Ihnen kurz erzählen, worum es in der ersten Kantate geht?" Und das tut sie dann mit entzückendem Charme.

"Venus and Adonis" ist diese Kantate betitelt. Venus, der Liebe bekanntlich nicht abgeneigt, hatte "den schönsten Mann der Welt", Adonis eben, den Mars, rasend vor Eifersucht in einen Eber verwandelt, kurzerhand meuchelte. Seine Blutstropfen werden indes zu Adonisröschen. Schön erzählt, noch viel schöner gesungen: Gleich im eröffnenden Rezitativ kann Mields ihre Ausdrucksfähigkeit und ihre sprechende Gestaltungskraft beweisen.

In der folgenden Arie entzückt zunächst Saskia Fikentschers weicher, warmer, atmender Oboenton; sie ist eine der Sängerin absolut ebenbürtige Partnerin. Leon Berben lässt derweil das Cembalo funkeln und glitzern, Kristin von der Goltz ihr Barockcello ausdrucksvoll singen.

Und da man in der Kammermusik auf Augenhöhe miteinander agiert, hat jeder seinen Soloauftritt. Zunächst spielt Berben Händels Chaconne in G-Dur. Das bietet die Gelegenheit, die Malerei im aufgeklappten Deckel des Instruments, die eine arkadische Landschaft zeigt, zu bewundern. Das zu dieser Malerei passende liebliche Thema wird durch teils höchst virtuose Variationen geführt, die dem Zuhörer schon leichte Schwindelgefühle verursachen.

In Giuseppe Sammartinis Sonate I aus Op. 2 für Oboe und Basso continuo erzählt darauf die Oboe eine Geschichte, mit Bedacht und mitunter wie nachsinnend innehaltend. Übersprudelnder Mitteilungsdrang kennzeichnet den zweiten Satz. Tänzerisch bewegt, weit ausschwingend schließt der dritte. Händels Kantate "La bianca rosa" für Sopran und Basso continuo bringt, so prophezeit Mields, totale Ereignislosigkeit: "Es passiert - nichts! Ein Mädchen windet einen Bumenkranz. Aber: Sie wird doch nicht ... Nein! Sie pflückt die weiße Rose natürlich nicht, sondern erklärt sie zur Königin der Blumen." Und das ist berückend schön. Das Cello ist hier nur im Rezitativ im reinen Basso-continuo-Modus; in den Arien schwingt es sich zum Gegenpart des Soprans auf. Und Mields kann hier, wie nebenbei, ihre stupende Technik beweisen, ohne diese auszustellen.

Zwei aus Händels "Neun deutschen Arien" folgen nach der Pause. Der Text des Barockdichters Barthold Hinrich Brockes müsse wie die englischen und italienischen Werke ebenfalls "übersetzt" werden, sagt Mields und trägt die ersten Zeilen aus "Künft'ger Zeiten eitler Kummer" vor. "Wir sind im Pietismus unterwegs - es geht um das wahnsinnig schöne Leben im Jenseits", erklärt sie. Einfacher sei es mit "Meine Seele hört im Sehen": Hier gehe es schlicht darum, wie alles die Gnade Gottes preise. Und das "alles jauchzet, alles lacht" malt hier sehr anschaulich die Oboe.

In der Sonate G-Dur für Violoncello und Basso continuo hat Kristin von der Goltz ihren Soloauftritt und lässt ihr Instrument beseelt singen. Händels abschließende Kantate "Mi palpita il cor" beschreibe die Liebesnöte eines Vierzehnjährigen, den Amors Pfeil getroffen, die Angebetete aber verfehlt habe, erklärt Mields. Sängerin und Oboistin zeichnen die Qualen; Cello und Cembalo jagen stürmisch bewegt dahin.

Begeisterter Beifall, der mit gleich zwei weiteren der "Neun deutschen Arien" belohnt wird: "Süßer Blumen Ambraflocken", beglückend schön, und "Süße Stille, sanfte Quelle ruhiger Gelassenheit" - perfektes Schlussstück und quasi schon das "Wort zum Sonntag".

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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