Schlimme Erlebnisse können zusammenschweißen. Das erkennen drei Frauen auf einer Flugzeugtoilette: Die kokette Bettie, das schießwütige Cowgirl Mona und die bodenständige Lore sitzen auf dem Klo, als draußen ein besitzerloser Koffer gefunden wird. Der Flughafen wird evakuiert, nur die drei dürfen nicht gehen, sondern müssen der Dinge harren. Zwischen Angst und Klopapier werden Bettie, Mona und Lore zu Schicksalsschwestern: Erst halten sie unter den Trennwänden hindurch Händchen, dann ziehen sie zusammen, von allen Sorgen befreit schwelgen sie im Glück: "Ich lache so viel, und meine Haut ist auch viel besser!", sagt Bettie, und Mona erklärt: "Ich hatte noch nie eine beste Freundin, und jetzt habe ich zwei." Eines Tages geht ihnen auf, wie ungerecht es doch ist, dass nicht jeder so glücklich sein darf wie sie. Jeder brauchte so einen Anschlag, finden sie. Und rufen ein Anschlagssimulationsbusiness ins Leben, das einschlägt wie eine Bombe.
"Zickig, zynisch, zielsicher - oder der Beginn einer wunderbaren Freundschaft" heißt die neue Produktion der Komischen Gesellschaft, eine pointierte und kurzweilige szenische Lesung, die sich sehen und hören lassen kann. Verena Peck, Susanne Pienkowski und Ulla Haehn verkörpern die drei Frauen, die so unterschiedlich wie sympathisch sind und eine der skurrilsten Geschichten erleben, die je rund um das ernste Thema des Terroranschlags erzählt worden sind.
Die Premiere am Freitag im Tölzer Kulturhaus Alte Madlschule ist fast ausverkauft, auf der Bühne stehen im kreisrunden Scheinwerferlicht drei strahlend weiße Kloschüsseln, von denen sich Peck, Pienkowski und Haehn eine glatte Stunde lang nicht wegbewegen. Gelesen wird aus schwarzen Skriptbüchern, jedoch nur sporadisch in Form eines Dialogs. Jede der Frauen berichtet aus ihrer Ich-Perspektive, in kurzen, sich rasch abwechselnden, ineinanderschiebenden und verzahnenden Sätzen. Eine geniale Idee, die fabelhaft funktioniert und eine unheimlich dichte Erzählung schafft.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint - das müssen Bettie, Lore und Mona lernen. Dabei entwickelt sich zunächst alles paradiesisch. Gekleidet wie eine Girlgroup in knappen Flecktarn und bewaffnet mit Maschinenpistolen voller Platzpatronen stürmen die drei Frauen eine Diskothek, deren Besitzer ein Ex-Freund von Bettie ist und ihr noch etwas schuldet (nicht der einzige, wie sich herausstellen wird). Nachdem sie alle Gäste so richtig eingeschüchtert haben, lösen sie auf, dass alles nur Spaß war. Vor Erleichterung liegen sich die Leute heulend in den Armen - und danach wird gefeiert wie noch nie.
Auf diese Weise machen die Moralmissionarinnen eine Menschenmenge nach der anderen glücklich. Bis sie eines Tages zu weit gehen und in einen Supermarkt laufen. Die Polizei nimmt sie fest, sperrt sie aber nicht ein - sondern bringt sie mit Investoren zusammen, die aus der tollen Idee ein professionelles Geschäft machen wollen. Ab sofort können Bettie, Lore und Mona für Gewerkschaftsfeiern, Volksfeste und Gymnasien gebucht werden. Eine Welle der Glückseligkeit geht durch das Land, die Scheidungsrate, die Arbeitslosigkeit und die Jugendkriminalität sinken, die Kaufkraft steigt, Fanpost flattert ins Haus, die meiste an Bettie - und dann kommt der Anruf.
Den Menschen geht es jetzt zu gut. Sie kündigen ihre Versicherungen, holen ihr Geld von den Banken, gehen nicht mehr arbeiten und nehmen ihre Kinder aus den Schulen: "Die Leute genießen das Wetter, selbst wenn es regnet." Vor lauter Glückseligkeit bricht das System zusammen. Deshalb "wird es Zeit für was Ernstes", sagen die Manager; und diese ernste Sache soll beim Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft passieren. Mit der Euphorie ist es vorbei, die Mission findet ihr unausweichliches Ende. Zickig, zynisch und zielsicher.
"Weitere Aufführungen von "Zickig, zynisch und zielsicher": Freitag und Sonntag, 17. und 19. November, 20 Uhr, Alte Madlschule, Schulgasse 3, Bad Tölz. Tickets für 8 Euro in der Buchhandlung Winzerer in Bad Tölz