Interview:Der Klimawandel und die Tiere in den Alpen

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Christine Miller erachtet mehr Schutzräume als sinnvoll, um den Tieren Rückzugsräume zu schaffen. (Foto: privat/oh)

Christine Miller erklärt, wie man Lebensräume erhalten kann

Interview von Anja Brandstäter

Als Wildbiologin hat Christine Miller lange Zeit das Gamswild erforscht. Nun hat sich die gebürtige Tegernseerin das Thema "Die Tierwelt der Alpen im Zeichen des Klimawandels" vorgenommen. Darüber spricht sie am Donnerstag, 19. Januar, von 20 Uhr an auf Einladung des Alpenvereins im Gasthof Neuwirt in Lenggries. Der Eintritt ist frei. Die Alpen sind das letzte Refugium für einige Arten, die eigentlich auf arktische Lebensräume spezialisiert sind. Miller zeigt in ihrem Vortrag - neben den aktuellen Wissensstand - Prognosen und Entwicklungen der alpinen Lebensgemeinschaften, vom Gletscher bis in den Bergwald auf.

SZ: Welches Tier macht Ihnen derzeit am meisten Sorgen?

Christine Miller: Das kann ich gar nicht so sagen. Es geht um eine Lebensgemeinschaft von Tieren und Pflanzen, die voneinander abhängt. Verschiebt sich ein Faktor, so kommt das ganze Gefüge durcheinander.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Der Steinadler bevorzugt zur Aufzucht der Jungtiere Gamskitze und Murmeltiere. Findet er diese Tiere nicht mehr, so weicht er auf andere Beute aus. Der Bruterfolg in Bayern geht leider derzeit zurück. Oder denken wir an Schneehuhn und Schneehase. Sie sind ausgesprochene Hochgebirgsspezialisten, die man unter einer dichten Schneedecke kaum erkennen kann. Fällt kein Schnee mehr, so sind sie ihren Feinden hoffnungslos ausgeliefert. Die Tiere haben sich an die vier Jahreszeiten perfekt angepasst. Verschiebt sich der Winter nach hinten, ist es für die Tiere problematisch, weil sie kein Futter mehr finden. Ihr Stoffwechsel verlangt nach frischem Grün. Murmeltiere leiden unter langen Trockenperioden im Sommer.

Gibt es Tierarten, die sich mit den Veränderungen besonders schwer tun?

Das können wir noch nicht sagen. Das ganze Ökosystem ist instabiler geworden. Wir sollten die Tieren mehr bei den Veränderungen unterstützen, indem wir für sie Schutzzonen ausweisen und sie dort in Ruhe lassen.

Kann man denn noch irgendwie gegensteuern?

Miteinander großflächig planen wäre eine Lösung und eine Möglichkeit, allen Interessengruppen entgegen zu kommen. Dazu gehören Schutzgebiete für Tiere, Almwirtschaft und Freizeitflächen. Diese müssen respektiert werden. Es kann keine Loipe durch ein Hochmoor geben, wenn dort das Birkhuhn bedroht ist. Für die Tiere muss es Ruhegebiete geben. Die extensive Almwirtschaft ist extrem wichtig, um offene Flächen zu erhalten. Viele Tiere benötigen freie Flächen, zum Beispiel der Rotschwanz oder die Gämse. Die Skifahrer und Rodler sollten auf den Pisten bleiben.

Was halten Sie von den After Work-Skitouren, die derzeit sehr gefragt sind und für die Leute extra aus München ins Oberland gefahren werden?

Genau das geht eben nicht. Wie wir Menschen benötigen auch die Tiere Ruhe. Keinem würde es einfallen durch das Schlafzimmer eines anderen zu laufen - in diesem Fall ist es das Schlafzimmer der Birkhühner.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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