Info-Abend:"Man braucht einen langen Atem"

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Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. (Foto: Catherina Hess)

Grüne sprechen mit Experten über die Integration in die Arbeitswelt

Von Ingrid Hügenell, Schäftlarn

Christian Lankes ist ein freundlicher, geduldiger Mensch. Der Grünen-Gemeinderat ist Inhaber einer Schreinerei, und als solcher hatte er heuer einen jungen syrischen Flüchtling als Praktikanten. Von seinen Erfahrungen berichtete er kürzlich bei einer Veranstaltung der Schäftlarner Grünen zum Thema Flüchtlinge.

Der junge Mann war den Erzählungen zufolge nicht gerade der "geborene Schreiner". Lankes stellte neben einem Gefälle bei den Mathematik-Kentnissen auch Unterschiede beim Verständnis für Pünktlichkeit fest. Schwierigkeiten gab es Lankes zufolge auch wegen des Fastens im Ramadan. "Wenn man mit einem Praktikanten, der im Ramadan ist, einen schweren Schrank schleppen muss, bleibt man halt schon mal im Treppenhaus stecken." Denn der junge Mann sei müde gewesen, habe nichts getrunken, dafür aber nachts um 2 Uhr viel zu viel gegessen gehabt. In einem kleinen Betrieb wie dem seinen müsse man überlegen, wann sich Investitionen rechneten, sagte Lankes. "Der Prozess ist echt zäh."

Dass die Menschen, die vor Krieg und Tod nach Deutschland geflohen sind, integriert werden können und müssen, dass sie nicht nur der Wirtschaft, sondern auch dem Land positive Impulse geben können, war bei der Versammlung unstrittig. Lankes sagte aber auch: "Bis es eine Bereicherung wird, könnte es dauern." Und schiebt nach: "Als Grüner braucht man einen langen Atem."

In Bayern dauert die Integration durch Arbeit womöglich länger als anderswo. Das liegt daran, dass Flüchtlinge hier nur schwer in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis gelangen. Die Regelungen seien eher restriktiv. "Wer wann arbeiten darf, ist in Bayern eine Katastrophe", erklärte Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat, den die Grünen ebenso wie die Fachanwältin Ingvild Geyer-Stadie eingeladen hatten.

Dünnwald erklärte die Situation der jungen Flüchtlinge: Syrer hätten meist nur wenige Brüche in ihrer Bildungsbiografie, nur einen oder zwei, anders als junge Leute zum Beispiel aus Afghanistan, die eher fünf oder sechs Unterbrechungen und womöglich jahrelang gar keinen Unterricht gehabt hätten. Bei den Syrern gelte aber meist: "Die wollen nicht Schreiner werden, die wollen studieren." Dabei könnten Handwerksbetriebe die jungen Leute als Azubis gut gebrauchen. "Unsere besten Kooperationspartner sind die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer."

Anton Höck, Ortsvorsitzender der Grünen, warnte davor, die Flüchtlinge nur unter dem "funktionalen Aspekt" zu betrachten, ob sie gut für die Wirtschaft seien: "Man verliert dabei die menschenrechtlichen Aspekte aus den Augen." Beim Recht auf Asyl dürfe nicht nach der Qualifikation entschieden werden, wen man ins Land lasse. Die Experten fragte er, was aus ihrer Sicht zu verbessern wäre.

Fachanwältin Geyer-Stadie beurteilte das deutsche Asylrecht als sehr gut, sagte aber auch: "Ein Einwanderungsrecht wäre wünschenswert." Stephan Dünnwald kritisierte die Transitlager, die in Bayern eingerichtet würden. Die Menschen dort erhielten keine Hilfe, sondern würden nur "abschiebefertig" gemacht. "Das ist eine Entwicklung, die macht mir richtig Angst. Da macht man viel kaputt, auch bei den Helferkreisen." Eine gewisse Resignation bei den Helferkreisen konstatierte auch Höck, was er unter anderem daran festmachte, dass nur etwa 25 Leute zu dem Informationsabend gekommen waren. "Wir haben alle Helferkreise von Pullach bis Wolfratshausen eingeladen, auch die Kirchen."

Trotz des spannenden Themas, der beiden Experten und des Films, der zu Anfang gezeigt wurde, blieb die Zahl der Besucher unter den Erwartungen. Zu sehen gab es den afghanisch-US-amerikanischen Kurzfilm "Buzkashi Boys" von Sam French. "Ein Film über Kinderträume", resümierte Ortsvorsitzender Höck anschließend. "Buzkashi" ist ein wilder afghanischer Reitsport. Der Film erzählt die Geschichte von zwei Buben, die in Kabul aufwachsen - der eine als Sohn eines Schmieds, dessen Leben vorgezeichnet ist, der andere als elternloser Straßenjunge, der davon träumt, ein Buzkashi-Reiter zu werden. "Afghanistan ist seit Jahrzehnten vom Krieg gezeichnet", sagte Höck nach dem Film. "Keine Familie ist vollständig. So kenne ich das auch von den afghanischen Familien hier im Isartal." Allen Familien fehle mindestens ein Mitglied - Vater, Mutter, Geschwister. Viele seien im Krieg getötet worden.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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