Ein wichtiges Signal:Live aus der Moschee

Lesezeit: 4 min

Zum ersten Mal wird eines der höchsten muslimischen Feste im Fernsehen übertragen. Es ist kein Zufall, dass die Sendung aus Penzberg mit dem weltzugewandten Imam Benjamin Idriz kommt

interview Von Felicitas Amler, Penzberg

Das Islamische Forum Penzberg und der Bayerische Rundfunk bieten Zuschauern eine in Westeuropa einzigartige Premiere: Zum ersten Mal wird das Fest des Fastenbrechens nach dem Ramadan live im Fernsehen übertragen. Die Sendung aus der Penzberger Moschee beginnt am Freitag schon vor Sonnenaufgang um 4.55 Uhr und endet um 6.40 Uhr. Die SZ sprach mit dem für seine Offenheit bekannten Penzberger Imam Benjamin Idriz.

SZ: Herr Idriz, wann haben Sie zuletzt nach der Mondsichel Ausschau gehalten?

Benjamin Idriz: Bei uns in Deutschland ist das nicht so wie in Saudi-Arabien: Wir leben in einer modernen Zeit mit einer gut entwickelten Technik. Für uns ist die astronomische Zeit wichtig, und wir haben einen Jahreskalender für die exakte Bestimmung der Gebets- und Festzeiten, den verschiedene Behörden, türkische und bosnische, auch für die westlichen Länder vorbereiten.

Die Mondsichel ist das äußere Zeichen für Beginn und Ende des Ramadan. Ein ganzer Monat - was für eine lange Zeit, um tagsüber nichts zu essen. Wie halten Sie das durch?

Man gewöhnt sich in den ersten Tagen daran, je nachdem, wie schwer man arbeitet. Da ich persönlich körperlich nicht so belastet bin, ist es für mich nicht so schwer wie für jemanden, der auf der Baustelle oder in der Fabrik arbeitet. Es gibt aber auf der Welt Menschen, die viele Monate oder gar Jahre in Armut leben - durch den Ramadan können wir diese Armen auch besser verstehen, solidarisch mit ihnen sein..

Worauf müssen gläubige Muslime während des Fastens noch verzichten?

Die Penzberger Moschee ist die erste in Westeuropa, aus der ein rituelles Fest des Fastenbrechens live im Fernsehen übertragen wird. (Foto: Manfred Neubauer)

Materiell muss man auf Essen, Trinken, Rauchen, Geschlechtsverkehr verzichten. Aber Fasten hat noch eine andere Dimension. Wir müssen auch auf Gewalt, böse Worte, Beleidigungen, Sünden verzichten. Das heißt, wir fasten auch mental. Der Ramadan ist ein Monat absoluter körperlicher und seelischer Erziehung.

Was ist die spirituelle Bedeutung?

In dieser einmonatigen Schule lernt man viel. Der Mensch, der fastet, versucht, zwei Dinge in seinem Leben zu intensivieren: die Beziehung zu Gott und die zu anderen Menschen. Im Ramadan kommen wir so nah zu Gott, aber gleichzeitig stärken wir die zwischenmenschlichen Beziehungen - zu unseren Verwandten, zu Freunden, zu Nachbarn. Der Ramadan ist auch eine soziale Versöhnung in der Gesellschaft.

Sie gelten als aufgeschlossener, der Zukunft zugewandter Vertreter des Islam. Sind so strikte Regularien wie die des Ramadan noch zeitgemäß?

Die fünf Säulen des Islam - und das Fasten im Ramadan gehört dazu - sind für uns immer weiter zeitgemäß. Wir Muslime pflegen diesen Ritus seit mehr als 1400 Jahren. Die strenge Pflicht des Fastens gilt aber nur für gesunde, nicht geschwächte Menschen. Es gibt Ausnahmen, zum Beispiel für Schwangere, stillende Mütter, hart Arbeitende oder Studenten in Prüfungen usw. Wichtig ist, dass sich niemand durch das Fasten Schaden zufügen darf.

Bei den Christen gibt es streng Gläubige, eher Liberale und solche, die nur formal Mitglied einer der Kirchen sind. Wie ist das bei den Muslimen?

Die Beziehung zu Gott ist manchmal privat und manchmal gemeinschaftlich. Gott schaut auf die Herzen der Menschen. Es ist unmöglich, an Äußerlichem zu erkennen, ob jemand liberal oder konservativ ist. Ein Mensch kann ein gut gläubiger Muslim sein, auch wenn er nicht in die Moschee geht.

Imam Benjamin Idriz freut sich sehr über die Live-Übertragung im Bayerischen Fernsehen. (Foto: Manfred Neubauer)

Wie feiern Sie das Fest des Fastenbrechens? Gibt es auch dafür strenge Regeln, oder gestalten Sie das Fest in Penzberg in irgendeiner Weise besonders?

Wir gestalten es individuell und auch gemeinschaftlich. Es beginnt mit der gemeinsamen Zeremonie: Alle nehmen am Festgebet teil, auch die nicht streng Gläubigen - das ist wie bei den Christen mit der Weihnachtsmesse. So starten wir in die kommenden drei Tage. Dann besuchen die Jungen die Älteren, dort essen alle zusammen. Man besucht Verwandte, Nachbarn, Freunde. Dieses Jahr werden wir auch Flüchtlinge besuchen und die Kinder beschenken.

Was geschieht in der Moschee?

In der Moschee beginnen wir mit dem Gebetsruf, dann folgt das Morgengebet, die Koranrezitation, der Kinderchor singt Lieder, und beide Pfarrer aus Penzberg, der evangelische und der katholische, halten Ansprachen. Dann beschenken wir die Kinder - wir erwarten über 200. Nach dem Festgebet spreche ich die Festbotschaft.

Welche Themen sprechen Sie an?

Was uns Christen und Muslime zusammenhält. Dann werde ich Stellung nehmen zu der Terrororganisation, die sich "Islamischer Staat" nennt. Ich werde einen Appell an unsere Jugend richten, auf keinen Fall in Kampfgebiete zu gehen. Und ich werde über unsere Flüchtlinge sprechen. Anschließend werden zehn Kinder in zehn Sprachen, von Italienisch bis Urdu, Glückwünsche aussprechen.

Was bedeutet es Ihnen, dass aus Ihrer Moschee die erste Live-Übertragung eines Fests des Fastenbrechens im Fernsehen übertragen wird?

Mit Recht erwarten wir als Muslime von Nicht-Muslimen Achtung und Wertschätzung. Auf entsprechende Signale warten die Muslime seit langem. Die Live-Übertragung des höchsten muslimischen Festes ist ein solches wichtiges Signal. Der Bayerische Rundfunk zeigt sich bereit, unsere Stimme, so wie sie ist, ohne Eingriffe und Einschränkungen, in die breite Öffentlichkeit zu übertragen. Darin erkennen wir Wertschätzung und Offenheit gegenüber den muslimischen Mitbürgern. Dass unsere Moschee in Penzberg dafür ausgewählt wurde, werten wir als deutliches Zeichen der Anerkennung unserer Arbeit, die wir seit vielen Jahren leisten. Die Mitglieder meiner Gemeinde, und ich natürlich auch, wir freuen uns darüber sehr.

Sie haben erklärt, die Live-Übertragung im Fernsehen diene interessierten Nicht-Muslimen, aber auch Muslimen, die wegen Krankheit nicht am Festgebet teilnehmen können. Soll dies eine feste Einrichtung werden?

Das wäre unser Wunsch. Und es wäre auch ein lang gehegter Wunsch der Muslime, dass über den Ramadan hinaus kurze Sendungen zum Freitag - ähnlich wie das "Wort zum Sonntag" - im TV oder Rundfunk gestaltet werden können. Schließlich sind Muslime die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Bayern. Und wir sehen ja, wie wichtig es wäre, dass noch viel bekannter wird, was Islam wirklich bedeutet, und was eben nicht islamisch ist.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: