In letzter Sekunde:Der Lebensretter vom Fohnsee

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Josef Graßl aus Penzberg schwimmt am Freitagnachmittag seine Runden, als er einen Körper im Wasser entdeckt. Dann läuft alles wie automatisch ab.

Von Benjamin Engel, Iffeldorf/Penzberg

(Foto: Manfred Neubauer)

Für den 66-jährigen Josef Graßl und seine drei Jahre jüngere Frau Anne aus Penzberg verspricht der Freitag in der vergangenen Woche ein ganz normaler Badetag zu werden: Gemeinsam schwimmt das Ehepaar gegen 13.30 Uhr vor dem Gasthaus im Fohnsee bei Iffeldorf. Als seine Frau längst Richtung Ufer umgekehrt ist, sieht Graßl auf einmal ungefähr zehn Meter entfernt den Körper eines Mannes unter der Wasseroberfläche. Mit Hilfe eines 16-jährigen Kraillingers und dessen Freundes gelingt es dem Penzberger, den bewusstlosen 75-Jährigen an Land zu bringen und zu reanimieren. Dann treffen die Rettungskräfte ein und bringen den Verunglückten in das Unfallklinikum nach Murnau. Sein Zustand ist vier Tage nach dem Unglück stabil. Für die Polizei sind sie Lebensretter.

Alles läuft wie automatisch ab. Graßl schwimmt seine Runde und erkennt den Mann im Wasser - rund 40 Meter vom Ufer entfernt und mit dem Kopf 30 Zentimeter unter Wasser. "Ich habe mir noch gedacht, der kann aber gut tauchen", erinnert sich Graßl. Doch der Mann bewegt sich nicht mehr. Graßl packt ihn und zerrt ihn mit einer Hand Richtung Ufer. Er schreit laut um Hilfe, das hören ein 16-jähriger Kraillinger und dessen Freund. Die zwei Jugendlichen paddeln gerade mit einem Schlauchboot vorbei und springen sofort ins Wasser. Zu dritt gelingt es ihnen den regungslosen Mann ans Ufer zu bringen. Das dauert einige Minuten. Dort reanimieren sie das Unglücksopfer sofort und bringen es in stabile Seitenlage. Nach etwa drei Minuten hat der Mann zu röcheln angefangen und wir haben seinen Puls gespürt", erzählt Graßl.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Für Josef Graßl ist der Fohnsee sein Lieblingssee: Am vergangenen Freitag entdeckt er einen reglos im Wasser treibenden Mann - und rettet ihn.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Der Badeplatz vor dem Gasthaus Fohnseestüberl und am Campingplatz ist an den Osterseen vor allem an schönen Tagen besonders beliebt.

Zugute kommt ihm, dass er genau weiß, was in einem solchen Ernstfall zu tun ist. Er hat bis vor eineinhalb Jahren beim Werksschutz für das Pharmaunternehmen Roche im nahen Penzberg gearbeitet. "Wir mussten alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs machen." Froh ist Graßl auch, dass seine Frau und eine Münchnerin aus dem Badegelände schnell reagiert und sofort den Notarzt verständigt haben. Die Rettungskräfte sind nach wenigen Minuten an Ort und Stelle und versorgen den Mann weiter. Dann bringen sie ihn mit dem Rettungswagen ins Unfallkrankenhaus in Murnau.

Für das Ehepaar Graßl bleibt der vergangene Freitag ein einschneidendes Erlebnis. Bis dahin sind die Rentner bei schönem Wetter fast immer ganz sorglos zum Fohnsee gegangen. Nach den jüngsten dramatischen Eindrücken gehen sie mit einem anderen Gefühl zum Baden. "Für mich war der Mann ja zuerst tot, wie er da unter Wasser trieb", erzählt Graßl. Die ersten ein, zwei Tage nach der Rettung sei ihm gar nicht bewusst gewesen, was er da eigentlich gemacht habe.

Jetzt denkt das Ehepaar viel über den Mann nach. Denn erst einmal wissen sie nicht mehr, als dass dieser wohl mit dem Fahrrad an den See gekommen ist und sich auf eine Bank gesetzt hat. So haben es ihnen wenigstens andere Badegäste erzählt. Dann hat wohl niemand mehr von dem Verunglückten Notiz genommen.

Anne Graßl hat nach den lauten Hilfeschreien zuerst gedacht, dass ihrem Mann etwas passiert ist. Jetzt kann sie nicht mehr gut schlafen. "Ich sehe den Mann vor mir." Und im Fohnsee schwimmt sie zwar - aber mit einem unguten Gefühl.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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