Wolfratshauser Innenstadt:Neue Chancen für Tempo-30-Zonen

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"Rationale Argumente für Tempo 30": Markus Ganserer. (Foto: Manfred Neubauer)

Wolfratshauser Grüne diskutieren mit dem Landtagsabgeordneten Markus Ganserer.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Dass der Straßenlärm in Wolfratshausen an neuralgischen Punkten reduziert werden soll, ist Konsens im Stadtrat. Erreicht werden soll das mit Tempo 30. Die Geschwindigkeitsbegrenzung war bislang allerdings an den Behörden gescheitert. Schließlich handelt es sich bei den neuralgischen Punkten um übergeordnete Straßen, Staatliches Bauamt und Landratsamt lehnten dort ein Tempolimit ab. Nun aber besteht Hoffnung, die Geschwindigkeit der Autofahrer zumindest streckenweise zu drosseln: Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung erlaubt es, Tempo 30 auch an Bundes- und Staatsstraßen zu verordnen, an denen schützenswerte Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser liegen. Eine Verkehrsschau mit Vertretern des Straßenbauamts und der Polizei am 20. September soll klären, wo das in Wolfratshausen möglich ist.

Von dem Termin berichtete Annette Heinloth, Sprecherin der Grünenfraktion im Stadtrat, am Dienstagabend im Gasthaus Flößerei. Die Grünen hatten zur Diskussion geladen, um das von ihnen geforderte Tempo 30 "mit rechtlich fundierten Argumenten" zu stützen, wie es Stadtrat Hans Schmidt formulierte. Dazu hatten sie Markus Ganserer eingeladen. Der Sprecher für Mobilität der Grünen im bayerischen Landtag stellte fest, dass es zwei "sehr rationale Argumente" für Tempo 30 gebe: Die Verkehrssicherheit - schließlich reduziere sich der Bremsweg gegenüber Tempo 50 um mehr als die Hälfte - und die Lärmbelastung, die bei allen Fahrzeugtypen drastisch abnehme. Mit letzterer sei jedoch ein Tempolimit kaum zu begründen, da die gesetzlichen Grenzwerte weit über den als störend empfundenen lägen. "Man braucht schon exorbitante Werte, um Tempo 30 aufgrund von Lärmbelästigung durchzubringen", sagte Ganserer.

Doch auch in Sachen Sicherheit seien 30er-Zonen an höher klassifizierten Straßen bislang die absolute Ausnahme. Denn dafür müsse man eine besondere Gefahrenlage als Unfallschwerpunkt aufwendig nachweisen. Die gültigen Gesetze schrieben dem freien Verkehrsfluss hohe Bedeutung zu, besonders im Freistaat, sagte Ganserer. Immerhin aber gebe es nun einen kleinen Lichtblick: Die Änderung der Straßenverkehrsordnung, die Tempo 30 an innerörtlichen Straßen dann gestatte, wenn sich Schulen, Kitas, Krankenhäuser oder Pflegeheime im unmittelbaren Bereich der Straße befinden. Als "Blaupause" für diese Regel habe die Praxis der Stadt Nürnberg gedient, die "diesen Graubereich schon vor Jahren ausgereizt hat".

Unklar war den Diskutanten allerdings, wie die unmittelbare Nähe zur Straße definiert wird und auf welcher Länge das Tempolimit verhängt werden darf. Schmidt hatte zuvor "extremen Handlungsbedarf" an der B 11 von Nord nach Süd, an der Sauerlacher Straße von West nach Ost und an der Bahnhofstraße konstatiert. Wegen der Hammerschmied- und der Realschule müsse nun eigentlich Tempo 30 "vom Wasen bis zum Bahnhof gelten", sagte er. Die Grünen würden jedenfalls ihr Bestes tun, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen. "Wir werden ganz schön in den Ring gehen", erklärte Schmidt in Bezug auf die kommenden Verhandlungen mit den Behörden.

"Wir Grünen treten für eine Regelumkehr ein", betonte Ganserer mit Blick auf die Bundespolitik. So fordere die Partei, die Entscheidung über die geltende Regelgeschwindigkeit innerhalb einer Ortschaft ganz in die Hände der Kommunen zu geben. Die könnten dann demokratisch entscheiden, ob sie nicht Tempo 30 zur Regel und Tempo 50 zur Ausnahme machen wollten. Der Bundestagskandidat des Wahlkreises Karl Bär, der bis dahin als Zuhörer teilgenommen hatte, zitierte die entsprechende Stelle aus dem Parteiprogramm und nutzte den Abend so für ein bisschen Wahlkampf: "Wer will, dass sich da was ändert, sollte bei der Bundestagswahl die Grünen wählen", sagte er.

Ganserer machte jedoch klar, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung im Klimaschutz kaum Bedeutung habe: "Bei Emissionen ist Tempo 30 nur marginal wirksam." Was sich ändern müsse, um den Kohlendioxid-Ausstoß drastisch zu reduzieren, hatte der Abgeordnete zuvor in einem längeren Vortrag skizziert. Mit der Forderung der Grünen, 2030 nur noch abgasfreie Autos zuzulassen, werde man jedoch nicht alle Verkehrsprobleme lösen, sagte er. Um Stau und weitere Umgehungsstraßen zu vermeiden, müsse man auch das Radwegenetz und den öffentlichen Nahverkehr massiv ausbauen. Die Defizite dort zeigte er mit Fahrplänen aus dem ländlichen Raum auf. An die Wand projizierte er den negativen Rekord: eine Linie mit nur einem Bus pro Tag.

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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